0278 - Amoklauf des Messerstechers
zur Bewegungslosigkeit verdammt worden, und beide sahen jetzt, daß Angelika wieder aufgetaucht war.
Nicht weit von der Hand entfernt.
Sogar ihr Gesicht schimmerte auf der Wasserfläche. Sie hörten ihre verzweifelten Rufe und bekamen mit, wie Angelika versuchte, mit Kraulstößen das rettende Ufer zu erreichen.
Auch die Hand bewegte sich.
Sie erinnerte in diesem Moment an die dreieckige Flosse eines Hais: So schnell war sie auch. Der Hand gelang es, Angelika den Weg abzuschneiden.
Gefährlich nahe war sie plötzlich…
»Mein Gott!« brüllte Silvia und ballte ihre Hände so stark, daß die Nägel in ihr Fleisch stachen. »Das ist Wahnsinn! Beeil dich, beeil dich…«
Beide feuerten die Freundin an, die eine gute Schwimmerin war, aber gegen die Hand nicht ankam. Sie war einfach noch schneller, und ließ Angelika keine Chance.
Das Mädchen setzte alles ein, was es hatte. Seine Arme durchpflügten das Wasser. In langen Schaumstreifen spritzte es hoch. Man hörte das Klatschen, vernahm die Schreie, und die Hand war plötzlich neben ihr.
Angelika wälzte sich im Wasser herum. Auf dem Rücken lag sie, schaute in die Höhe, sah über sich für einen Moment die mörderisch lange Klinge, dann fuhr sie nach unten.
Ihr Schrei erstickte.
Plötzlich wurde das Wasser schaumig. Die Hand zuckte hoch, dann wieder nach unten, bevor das grausame Spiel erneut begann.
Es war wie die meisterhaft gedrehte Duschszene aus dem Film »Psycho«. Auch die beiden angststarren, am Ufer stehenden Mädchen sahen keinen Tropfen Blut, nur das quirlige Wasser und die Hand, die immer wieder nach unten stieß.
Manchmal sahen sie noch einen Arm. Er gehörte Angelika, die versuchte, diesem Schrecken zu entkommen, doch sie hatte keine Chance, die Hand und das Messer waren gnadenlos.
Noch einmal stieß die lange Klinge dem Wasser entgegen. Dann verschwand sie und tauchte auch nicht wieder auf. Ebenso wie Angelika Scherschel. Sie blieb verschwunden.
Susanne und Silvia schauten sich an. Danach blickten sie wieder auf das Wasser, das den Schrecken verdeckt hatte und völlig ruhig dalag. Nur der Wind strich noch sacht über die Oberfläche, ansonsten war nichts mehr zu erkennen.
Die Ruhe des Todes lag zwischen Ufer und dem aus dem Wasser ragenden Felsen.
Die beiden Mädchen wußten nicht, wie lange sie fast bewegungslos auf dem Fleck gestanden hatten. Zeit war für sie zu einer Nebensache geworden. Sie existierte zwar, aber sie ging die beiden nichts an, die sich wie in einem tiefen Traum befindlich vorkamen.
Irgendwann rührte sich Susanne. Sie schüttelte ihren Kopf und deutete auf das Wasser. »Wo ist Angelika?« fragte sie mit tonloser Stimme.
Silvia gab keine Antwort. Sie wollte zwar etwas sagen, bewegte auch die Lippen, ein Wort drang nicht hervor.
»Wir haben doch geträumt, nicht wahr?« Susannes Stimme zitterte.
»Sag, daß wir geträumt haben.«
»Nein…«
»Dann ist sie…ist sie…?«
Silvia nickte. Sprechen konnte sie nicht. Sie starrte auf das Wasser und glaubte abermals, den Kopf ihrer Freundin zu sehen und auch die Hand mit dem langen Messer.
Es war eine Täuschung. Ihr Unterbewußtsein spülte nur die schrecklichen Szenen wieder hoch.
»Was sollen wir denn jetzt machen?« fragte Susanne. Sie hatte der Schock am stärksten getroffen.
»Nichts können wir tun. Wir müssen weg und die Polizei benachrichtigen. Die soll suchen.«
»Und wenn Angelika kommt?«
Silvia schaute ihre Freundin, die diese Frage gestellt hatte, sekundenlang starr an. Ihr Gesicht verzog sich, als sie flüsternd erwiderte: »Sie kommt nicht mehr, deine Angelika. Sie kann nicht mehr kommen, verstehst du das? Sie ist tot! Tot, einfach tot!«
»Nein, sie…«
»Doch!« schrie Silvia. »Tot! Begreife das endlich? Angelika kann nicht mehr kommen.«
Da begann Susanne zu weinen. Sie drückte ihren Körper vor und klammerte sich an ihrer Freundin fest. Den Kopf preßte sie gegen Silvias Schulter.
Und Silvia blieb stehen. Ihr Gesicht war ausdruckslos und kalkweiß. Mit leerem Blick schaute sie über Susanne hinweg auf das dunkle Wasser, wo diese grausame Tat passiert war.
Auch für sie war es unbegreiflich, aber sie war eher bereit, sich mit den Tatsachen abzufinden. Ein im Wasser lauernder Killer hatte Angelika Scherschel erwischt, daran gab es nichts mehr zu rütteln. Ein Zurück würde es nicht geben.
Und während sie auf das Wasser schaute, wobei sie auch den hellen Schaum der anrollenden Wellen sah, entdeckte sie etwas Dunkles zwischen
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