0278 - Amoklauf des Messerstechers
ihnen.
Zunächst dachte sie an ein Stück Holz, bis eine Welle den Gegenstand hochspülte und auf den feinen Sand drückte. Da erkannte Silvia den Körper.
Es war Angelika Scherschel!
Die tote Angelika!
Bevor Silvia genauer hinschauen konnte, rollte eine Welle heran, glitt unter den Körper, hob ihn hoch und schwemmte ihn wieder ein Stück nach hinten.
Das Spiel wiederholte sich einige Male, bis das Wasser es geschafft hatte, die Leiche so weit auf den schmalen Strand zu spülen, damit sie liegenblieb und auch nicht mehr zurückgeholt werden konnte.
Bisher hatte nur Silvia die Tote gesehen. Und sie faßte sich ein Herz, denn sie wollte sich den Leichnam genauer anschauen. Dabei drückte sie ihre Freundin nach hinten, entschuldigte sich und schritt mit zögernden Bewegungen auf die Tote zu.
Einen Meter davor blieb sie stehen, senkte den Blick und preßte ihre Hand gegen die Lippen. Der Unbekannte hatte gewütet, und jeder Stich war ein Treffer gewesen.
Silvia konnte nicht mehr. Sie warf sich auf dem Absatz herum, rannte auf die wartende Susanne zu, packte sie an der Schulter und hetzte mit ihr dorthin, wo der Weg begann, der auch hoch zur Straße führte. Wie die beiden Mädchen es geschafft hatten, die Straße zu erreichen, wußten sie selbst nicht zu sagen. Als sie oben waren, kam die schreckliche Reaktion. Da mußte sich zuerst Susanne übergeben, danach Silvia.
Sie standen am Straßenrand, naßgeschwitzt, mit ihren Nerven am Ende und sahen auch die Lichter der vorbeifahrenden Wagen.
Niemand hielt an.
Die beiden Mädchen wollten nach Cala Millor. Dort gab es eine kleine Polizeistation, da würde man ihnen bestimmt helfen können.
Nach ein paar taumelnden Schritten schon stöhnte Susanne auf. »Ich kann nicht mehr«, würgte sie. »Mein Magen, ich…«
»Weiter, weiter!« schrie Susanne. Auch sie wurde noch immer vom Grauen geschüttelt.
Vorn Meer wehte der Wind. Kühl fächerte er um ihre Köpfe, trocknete den salzigen Schweiß und auch die Tränen.
Die beiden Mädchen wußten nicht, wie lange sie schon unterwegs waren, aber die Lichter von Cala Millor schienen kaum nähergekommen zu sein. Zudem verschwammen sie vor ihren Augen. Das Blut rauschte in ihren Köpfen. Und da waren plötzlich Scheinwerfer, die vor ihnen zu grellen Lichtern explodierten, wobei sie im nächsten Augenblick das harte Kreischen radierender Räder auf dem Asphalt vernahmen.
Ein Wagen hatte angehalten.
Stimmen klangen auf.
Das alles war ihnen egal. Sie merkten nicht einmal, daß sie von starken Armen aufgefangen wurden…
***
José Bexiga hatte sich tapfer gehalten. Zunächst weinte er, als ich ihm mit leisen Worten berichtet hatte, wie sein Vater ums Leben gekommen war. Dann aber flammte so etwas wie harter Trotz in ihm auf, denn nun wollte er es wissen. Er akzeptierte auch, daß es zwischen dem Tod seines Vaters und El Diablo einen ursächlichen Zusammenhang gab, denn er selbst war in diesem Ort mit den alten Geschichten und Legenden groß geworden.
Anders der junge Deutsche.
Markus Küppers wollte es nicht akzeptieren. Er redete immer dagegen, und ließ seinem Ärger freie Bahn.
Das machte uns nichts.
»Und Sie müssen es beweisen«, erklärte er.
»Das werden wir auch«, sagte ich, schaute José dabei an, und der nickte.
»Wir fahren zu meinem Großvater«, erklärte er. »Der kann Ihnen viel mehr sagen.«
Wenig später hatten wir das Hotel verlassen. Jetzt brauchten wir nur noch einen Wagen aufzutreiben, denn sein Großvater befand sich im Nachbarort Cala Bona, wo es auch einen Hafen gab, und dort feierten die Fischer in dieser Nacht ein Fest.
Einen Autoverleih gab es auch. José wollte sich um einen Wagen kümmern. Er nahm Markus Küppers mit, während wir vor dem Hotel warteten.
Suko und ich sahen nur fröhliche, aufgekratzte Menschen, die es genossen, auch in der Nacht noch vor den Lokalen und Bars zu sitzen, wobei sie die kalten Getränke schlürften.
»Glaubst du an eine Rückkehr dieses Monstrums?« fragte mich Suko.
»Ja.«
»Und wann?«
»Wenn der alte Fluch gelöscht worden ist, können wir vielleicht sogar in dieser Nacht damit rechnen.«
Mein Freund knetete sein Kinn. »Mal sehen, was sich da machen läßt. Ich bin in der richtigen Stimmung, um einen Piraten zu vernaschen. Was die Leute damals geschafft haben, das packen wir heute auch«, erwiderte er voller Zuversicht.
»Hoffen wir's.«
Ein Wagen rollte an den Straßenrand. Es war ein grüner R4, den José Bexiga ergattert hatte. »Kostet
Weitere Kostenlose Bücher