0278 - Tupilak, das Schneemonster
vernichten… schon gar nicht von einem Gefesselten…
Also doch! durchfuhr es Zamorra. Das alles war eine große Falle für ihn allein. Der Tupilak war Köder und Vollstrecker zugleich. Aber wer steckte dahinter?
In Shinans Gedanken fand Zamorra keine Antwort mehr. Die kurze Phase, in denen seine Para-Fähigkeit stark genug war, war schon wieder vorbei. Shinan stapfte durch den Schnee davon, und die anderen folgten ihm. Zamorra verzichtete darauf, hinter ihnen her zu rufen. Es hatte keinen Sinn. Sie gehorchten nur ihrem Schamanen.
Wenn wenigstens Naugor eingegriffen hätte…
Zamorra zerrte an den Stricken. Aber die ließen ihm keinen Spielraum.
Und die Kälte tat ein übriges. Noch war sein Körper halbwegs warm.
Aber bald schon würde die Kälte in ihn eindringen. Er konnte sich nicht bewegen, sich nicht warmhalten! Und selbst wenn er es unter anderen Umständen vielleicht doch noch geschafft hätte, im Laufe vieler Stunden die Fesseln zu lockern – hier hatte er diese Zeit nicht. Die Kälte fraß seine letzte Kraft…
Und irgendwann würde der Tupilak kommen.
Notfalls schickte ihn Shinan auf den richtigen Weg. Und daß der Schamane den Tupilak lenken konnte, war Zamorra längst klar.
Das Grausamste war das Warten.
***
Unwillkürlich ließ Nicole sich in den Schnee fallen, um von dem Ungeheuer nicht sofort gesehen zu werden. Aber sie wußte, daß das Versteckspiel sinnlos war. Nach allem, was Zamorra ihr während des Fluges nach Grönland über die künstliche Bestie erzählt hatte, würde der Tupilak sie wittern und auf jeden Fall finden.
Und sie war waffenlos.
Vorsichtig hob sie den Kopf.
Überrascht stellte sie fest, daß der schwarze Fleck wieder verblaßte.
Es war nicht das mörderische Ungeheuer! Sondern etwas anderes, ein wilder Wirbel, der jetzt erlosch. Aber aus diesem Wirbel kam etwas heraus…
Ein Weltentor… ein Übergang in eine andere Dimension…
Und jetzt tauchten mehrere Gestalten auf. Waren das nicht Reiter?
Nicole zählte fünf von ihnen, die jetzt auf sie zuhielten. Sie mußten genau wissen, wo sie sich im Schnee verbarg!
Reiter? Hier? Das war doch unmöglich! Pferde mußten sich in dieser Schneewüste, die heimtückisch und uneben war, die Beine brechen!
Hunde- oder Rentierschlitten, Skier und Schneeschuhe waren die einzig möglichen Fortbewegungsmittel!
Und trotzdem waren das da Reiter, die im Galopp heran kamen und dabei immer deutlicher wurden. Ihre Körper blitzten im Sonnenlicht seltsam metallisch.
Ein eigenartiges Gefühl beschlich Nicole. Etwas in ihr regte sich und behauptete, daß sie diese Reiter kennen mußte. Aber woher?
Trugen sie nicht Rüstungen?
Das Erkennen stieg in ihr auf.
Und da sah sie bereits, was sie nicht wahrhaben wollte. Die Reiter waren keine Menschen – zumindest keine lebenden Menschen! Unter den metallenen Rüstungen befanden sich Skelette!
Schon waren sie heran, kreisten Nicole ein, die aufsprang, weil es ja doch keinen Sinn hatte, sich im kalten Schnee zu verbergen. Und jetzt ahnte sie, wer der unheimliche Gegner im Hintergrund war.
Aber das konnte nicht sein. Der Gebieter der Skelett-Krieger war doch tot.
Von Bill Fleming mit einer geweihten Silberkugel erschossen! Mitten in die Stirn!
Die Skelett-Krieger sprangen jetzt von ihren Pferden und kamen mit grinsenden Totenschädeln unter den Helmen auf Nicole zu. Es gab für sie kein Entkommen mehr.
Knochenhände packten zu und erfaßten ihr wehrloses Opfer…
***
Zamorra brauchte nicht sonderlich lange zu warten. Seiner Schätzung nach mußte eine halbe Stunde vergangen sein, als er einen dunklen Fleck am Horizont sah. Der Fleck näherte sich langsam.
Es war der Tupilak.
Er näherte sich nur langsam, als witterte er Gefahr. Vielleicht spürte er, daß hier jemand war, der über schwache Para-Kräfte verfügte, und als wisse er nicht genau, was er von diesem Opfer halten sollte. Das Dumme war nur, daß Zamorra seine Fähigkeiten nichts nützten. Er brauchte zumindest sein Amulett.
Und das eben hatte er nicht mehr.
Früher, bevor Leonardo deMontagne es raubte, hatte er es aus größten Fernen rufen können. Auf seinen Gedankenbefehl hin kam es selbst durch feste Wände in rasendem Tempo zu ihm. Aber das war jetzt vorbei.
Zamorra war sicher, daß das Amulett diese Fähigkeit noch besaß.
Ebenso sicher war er aber auch, daß er sich diese Fähigkeit wie alles andere erst wieder erarbeiten mußte. Denn das Amulett stellte sich immer wieder quer, blockte ab und wollte nicht
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