0281 - Ein Spitzel zieht die falsche Karte
Halle hinein. Sie bog an einem mächtigen Stahlträger nach links und führte zu einem Haufen von leeren Säcken. Die obersten waren blutbedeckt.
Prewitt machte kehrt und ging den Weg zurück, den er gekommen war. Es war eine unheimliche Atmosphäre, die ihn umgab. Der Wind heulte und fauchte in den Trossen der Schiffe, in den Trägern und Pfeilern der Dockbauten und Kräne.
Harry Prewitt tastete unwillkürlich nach seiner schweren Pistole und rückte sie ein wenig weiter nach vorn. Dann folgte er, leicht vor gebeugt, der Blutspur in die andere Richtung. Er brauchte nicht weit zu gehen. Zwischen den vier mächtigen Stahlbeinen des veralteten Turmkrans fand er einen Mann, der halb auf der linken Seite, halb auf dem Bauche lag. Aus seinem Rücken ragte der Griff eines Dolchmessers.
Prewitt verschwendete keine Sekunde. Er machte abermals kehrt und setzte sich in Trab. Keuchend preschte er die Uferstraße entlang, sprang über die Mauer hinab auf die Uferschnellstraße und überquerte sie in einem günstigen Augenblick. Atemlos erreichte er die Hausecke, wo etwa in Augenhöhe ein metallener Kasten angebracht war. Er zog seinen Schlüssel und schloß den Kasten auf, um das Telefon darin herauszunehmen.
»Hier ist Prewitt«, sagte er atemlos. »Sergeant, ich habe gerade einen Mann gefunden, der ein Messer im Rücken sitzen hat. Ob er tot ist oder noch lebt, habe ich nicht feststellen können. Auf jeden Fall erst einmal ganz schnell eine Ambulanz mit Blutplasma. Der arme Kerl hat verdammt viel Blut verloren. Ob wir die Ambulanz umsonst bemühen, kann ich wirklich nicht wissen.«
»Geben Sie den genauen Ort durch und bleiben Sie dann an der Fundstelle!« erwiderte der Reviersergeant sachlich.
Prewitt gehorchte. Ungefähr fünfzehn Minuten später kniete bereits ein Arzt neben dem Mann. Prewitt leuchtete ihm mit seiner Lampe.
»Schwacher Herzschlag. Sofort zum nächsten Krankenhaus«, sagte der Arzt. »Aber äußerste Vorsicht beim Überbetten auf die Trage.«
Nach abermals zwanzig Minuten beschäftigten sich drei Ärzte im Operationssaal C des Medical Center mit dem Gefundenen. Eine Oberschwester aber saß an ihrem Telefon und betrachtete dabei mit gerunzelter Stirn die kleine blaue Karte, die in einer Cellophanhülle stak und ein Bild des Verletzten zeigte.
COUNTER INTELLIGENCE CORPS (CIC) stand in großen Buchstaben auf der Karte. Und darunter war mit Schreibmaschinenschrift eingetragen: Major Corry B. Duckart.
Vierzig Minuten nach acht Uhr standen Major Cunnings und ich im Flur vor dem Operationssaal. Vor unseren Augen wurde die Trage hinausgerollt, auf der Corry B. Duckart lag. Sein Gesicht war wachsbleich und spitz. Wenig später kamen die Ärzte.
»Und?« fragte Cunnings heiser.
Der älteste unter den Ärzten schüttelte den Kopf.
»Wir haben das Menschenmögliche getan«, sagte er. »Aber er hatte das Messer wenigstens zwölf Stunden in seinem Rücken. Die Spitze ragte in die linke Herzvorkammer. Es ist ein Wunder, daß er es so lange aushielt…«
Cunnings schluckte ein paarmal. Dann drehte er sich um und ging zum nächsten Fenster. Schweigend starrte er hinaus in die schwarze Nacht, die Manhattan einhüllte mit Sturm und Regen.
Ich bedankte mich leise bei den Ärzten. Nach einiger Zeit legte ich Cunnings die Hand auf die Schulter.
»Kommen Sie«, sagte ich. »Seine Mörder laufen noch frei herum, Cunnings…«
Der Major drehte sich um. Sein Gesicht war hart und grau.
»Diese Hunde«, sagte er tonlos, »diese verdammten Hunde…«
Er ging mit mir den Flur entlang wie ein Nachtwandler. Als wir aus dem hellerleuchteten Portal wieder hinaus in die schwarze Nacht traten, klatschte uns der Regen mit eisiger Wucht in die Gesichter.
»Cotton«, sagte Cunnings. »Wo kriegen wir die Burschen?«
Ich zuckte die Achseln.
»Genau weiß ich das auch nicht, Cunnings«, bekannte ich ehrlich. »Aber wir kriegen sie trotzdem. Verlassen Sie sich darauf, Cunnings. Wir kriegen sie.«
Wir stiegen in den Jaguar. Die Türen schlugen mit sattem Geräusch hinter uns zu. Autoschlangen rollten über die Straßen, die wir passierten. Manhattan lag im hektischen Taumel seines Nachtlebens. Lachende, schwatzende Menschen hasteten durch den Regen. Die Kaskaden von Licht flammten durch die Nacht, von den Wolkenkratzern, an den Häuserfronten, auf den Dächern. Amerika hatte einen harten Arbeitstag hinter sich. Nun ging es seinen vielfältigen Vergnügungen nach.
Bis auf Major Corry B. Duckart, der in diesem Augenblick bleich
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