0282 - Amoklauf der Amazone
Möbius in einem Tonfall, wie ihn Professor Zamorra noch nie reden hörte. Sanft und doch bestimmt. Und der Schimmer in den Augen des Jungen… Das konnte nur eins bedeuten.
Carsten Möbius hatte sich in das Mädchen verliebt.
»Ich bringe dich um, wenn du mir was tust!« versprach Glauke. »Ich bin von weißer Seide!« setzte sie leise hinzu.
Carsten Möbius verstand, was sie damit ausdrücken wollte.
»Es geschieht nichts gegen deinen Willen, Glauke!« erklärte er. »Doch füge dich in dein Schicksal. Wisse jedoch, daß mein Freund Zamorra und ich dir wohlgesonnen sind. Vor uns hast du nichts zu befürchten!«
»Die Götter mögen euch segnen dafür!« sagte die Amazone voller Inbrunst.
»Zurück zu den Schiffen!« unterbrach sie Professor Zamorra. »Wir haben eine große Aufgabe vor uns. Micha ist noch in Troja. Es wird Zeit, daß wir einen Plan machen, wie wir ihn befreien können!«
Mit diesen Worten lenkte er die Pferde auf das Schiffslager der Griechen zu…
***
»Befreien!« tobte Penthesilea. »Wir müssen sie da rausholen. Diese Schmach dem Volk der Amazonen!«
Von den Zinnen der Stadt war genau beobachtet worden, was sich vor den Toren zugetragen hatte. Doch daß es sich hier um kampfstarke Verbündete der Trojaner handelte, war auf den Mauern noch nicht bekannt.
So erfuhr Penthesilea erst an der Tafel des Priamos, als sie bereits reichlich dem roten Wein zugesprochen hatte, vom Schicksal ihrer Gefährtinnen. Vollends geriet sie in Zorn, als berichtet wurde, daß im Lager der Griechen offensichtlich eine große Feier im Gange war und das Kreischen von Frauenstimmen über die ganze Ebene schallte.
Die Helden der Trojaner, die an der Tafel des Königs mitspeisten, sahen sich vielsagend an. Sie hatten bereits Penthesilea und ihre Gefährtinnen mit unverhohlenem Interesse gemustert und hatten volles Verständnis für das Handeln der Griechen. Die scherzhafte Bemerkung des Äneas, für diese Nacht mit dem Feind Frieden zu schließen und an dem Fest teilzunehmen, wurde von Penthesilea mit einem bösen Fauchen beantwortet, und erst König Priamos mußte dem Gelächter seiner Helden ein Ende setzen.
»Morgen werden wir in den Kampf ziehen und die Schmach unserer Gefährtinnen rächen!« schwor die Königin. »Bei den Göttern gelobe ich, die Griechen von Trojas Toren zu vertreiben… Und Achilles … Ja, Achilles… Ich schwöre, daß ich ihn töten werde!«
Schlagartig wurde es still. So vermessen war noch niemand gewesen, daß er den Tod des größten Helden der Griechen gelobte.
Doch was redet man nicht alles, wenn sich die Nebel des Weines über das Gemüt legen…
»Für heute wäre es auch nicht mehr gut zu kämpfen!« fühlte sich Sandra Jamis von einem etwas feminin wirkenden Mann angesprochen. »Sie hat bereits mehr vom Wein zu sich genommen, als sie vertragen kann. Ich habe vernommen, daß mein Vater, König Priamos, ihr Räume im Palast anweisen ließ, da sie eine Königin ist. Willst du, hübsche Kriegerin, mir die Ehre geben, in meinem Hause die Nacht zu verbringen?«
»Wenn ich erfahren darf, mit wem ich die Ehre habe«, sagte Sandra mit einem undefinierbaren Lächeln, das der Trojaner nicht zu deuten wußte.
»Ich bin Paris!« erklärte er dann. »Prinz Paris von Troja!«
»Der Gatte der schönen Helena!« entfuhr es Sandra. In ihrem Kopf begann es zu wirbeln. Immerhin hatte ihr Professor Zamorra erklärt, daß Michael Ullich in diesem Palast gefangengehalten wurde.
Auch wenn die wahre Absicht des Paris klar erkennbar war, beschloß Sandra Jamis, das Angebot anzunehmen. Sie mußte erfahren, wo der Freund von Tina Berner gefangengehalten wurde. Beiläufig nahm sie wahr, daß auch Atalante und die anderen Kriegerinnen der Königin von den Führern der Trojaner in ihre Häuser eingeladen wurden.
Königin Penthesilea war unterdessen in den Kissen ihres Polsters zusammengesunken. Sie vertrug keinen Wein und hatte am heutigen Abend zu vielen Männern zutrinken müssen. Im Kreise der Amazonen waren Gelage dieser Art nicht üblich.
Schlaf senkte sich über die Augen der Königin. Stumm trugen sie zwei Diener des Priamos auf einen Wink des Königs in ihre Gemächer.
Sandra spürte den Arm des Paris auf ihrer Schulter. Willig erhob sie sich.
»Das Haus ist nicht weit von hier entfernt. Gleich unterhalb vom Tempel der Pallas Athene, wo der heilige Stein in ihrem Standbild glüht!« erklärte Paris. »Doch was kümmern uns die Götter in dieser Nacht? Laß sie uns genießen, schöne
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