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0287 - Herrscher über tausend Geister

0287 - Herrscher über tausend Geister

Titel: 0287 - Herrscher über tausend Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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sie kümmern und feststellen, wer sie sind und was sie hier wollen – da du dazu offenbar nicht in der Lage bist.«
    Chuck preßte die Lippen zusammen. »Ich bin vorsichtig geworden«, gestand er.
    »Dann hast du die erste deiner Lektionen gelernt«, versetzte der Mongole ruhig. »Die zweite lernst du jetzt. Nichts überstürzen. Sie laufen uns nicht davon, und in der Nacht werden sie nichts unternehmen. Sie ahnen nicht, daß wir hier sind. Also haben wir Zeit. Niemand drängt uns.«
    Chuck räusperte sich. »Ich glaube… sie sind auf der Flucht. Gesetzlose, Gejagte.«
    »Wie du mit deiner jetzt toten Bande«, sagte Wang Lee spöttisch.
    »Vielleicht sind es aber auch Jäger, die euch auf der Spur waren… ?«
    »Niemand wußte, daß wir in dieser Geisterstadt Unterschlupf suchten«, sagte Chuck unbehaglich. »Und wenn es Texas Rangers wären… sie kämen nicht zu viert, und es wäre auch keine Frau. Nein, ich bin sicher, daß sie vor etwas auf der Flucht sind.«
    »Wir werden morgen sehen, was sie sind«, sagte Wang Lee Chan. Er hielt ein Messer in der Hand und schnitzte an einem eineinhalb Meter langen Ast, schnitt ihn gerade und kerbte Griffmulden hinein. Die Enden spitzte er zu.
    »Was wird das?« fragte Chuck. »Ein Besenstiel?«
    »Eine Waffe, du Narr«, sagte Wang Lee.
    Chuck hob ungläubig die Brauen. »Ein Holzstab? Eine Waffe?«
    Da traf ihn ein eiskalter Blick des Mongolen. Chuck begann zu frieren.
    Der Mongole war ihm unheimlich. Ein Holzstab als Waffe… aber Wang Lee Chan war eben ein Mann, der für jede Überraschung gut war.
    ***
    Marcus Servius Tanista hielt die letzte Wache. Es war die Zeit vor dem Morgengrauen. Der römische Centurio hatte genug Zeit, um nachzudenken.
    Er überlegte, versuchte alles in eine geordnete Reihenfolge zu bringen, was ihm in den letzten vierundzwanzig Stunden zugestoßen war. Er wußte jetzt, daß es keine Möglichkeit für ihn gab, wieder in seine Zeit zurückzukehren. Er war in der Zukunft gestrandet. Und in einer Welt, in der er kein einflußreicher Offizier war, sondern ein Gejagter.
    Das hatte er im Grunde dem Wikinger zu verdanken. Vielleicht hätte es eine Möglichkeit gegeben, sich mit den rothäutigen Wilden gütlich zu einigen. Immerhin besaß dieser große Gallier seine Zauberscheibe, mit der sich bestimmt eine Menge anstellen ließ. Aber nach dem kaltblütigen Mord an dem Dorfzauberer war das unmöglich.
    Die Toten im ehrlichen Kampf… das war etwas anderes. So wie Tanista die Comanchen nach allem, was er über sie gehört hatte, einschätzte, sahen sie das ganz anders als das, was Olaf tat. Ein ehrlicher Kampf war etwas anderes als ein heimtückischer Mord.
    Olafs Schuld also war es, daß sie jetzt von den Comanchen gejagt wurden.
    Ein Dämmerstreifen zeigte sich im Osten. Tanista ging fröstelnd auf dem Dach auf und ab, und plötzlich sah er im Nordwesten Punkte am Horizont.
    Als es heller wurde, waren sie näher gekommen.
    Es waren sieben Reiter.
    Die Comanchen hatten nicht nur die entführten und verstreuten Pferde wiedergefunden, sondern auch die Spur der Flüchtigen. Eine Glanzleistung.
    Aber Tanista konnte sie dafür zwar bewundern, aber nicht loben.
    Es wäre ihm lieber gewesen, die Comanchen hätten sie nie wieder entdeckt.
    Dieses Land sollte sehr, sehr groß sein, so groß wie das gesamte Römische Imperium in seiner Blütezeit. Da mußte es doch Möglichkeiten geben, sich auf lange Sicht zu verbergen.
    Nun sollte es dazu nicht mehr kommen. Die Indianer waren da. Sie kamen im Morgengrauen. Und so, wie sie die Spur zur Geisterstadt gefunden hatten, würden sie auch die Flüchtigen selbst finden.
    Der Centurio überlegte fieberhaft. Sollte er die anderen wecken? Sollten sie sich zum Kampf stellen und damit alles noch viel schlimmer machen?
    Es gab eine andere Möglichkeit.
    Tanista verließ das Dach und ging zu dem Zimmer, in das sich der Wikinger zurückgezogen hatte. Er klopfte nicht an, sondern trat einfach ein.
    Olaf Schädelbrecher fuhr hoch. »Was willst du?« fauchte er. »Du sollst doch oben Wache halten! Warum hast du deinen Platz verlassen?«
    Der Römer trat ans Fenster. »Ich muß dir etwas zeigen«, sagte er.
    »Schau hinaus. Es ist wichtig.«
    Wütend warf der Wikinger die Decke beiseite, die er irgendwo im Haus gefunden hatte und trat neben den Römer ans Fenster. Tanista streckte den linken Arm aus. Olaf beugte sich nach draußen.
    Lautlos zog Tanista das Schwert aus der Scheide und schlug mit dem stumpfen Knauf zu. Olaf kippte

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