0287 - Herrscher über tausend Geister
unsere Kundschafter der Spur folgen, und wenn der Morgen anbricht, beginnt die Rache. Wir werden diese Weißen finden, und ihr Blut wird die Erde tränken. Und wenn wir sie nicht finden, so werden es andere sein, die für diese Tat sühnen. Ich habe gesprochen.«
Und die Comanchenkrieger zogen sich in ihre Zelte zurück, um sich mit den Farben des Krieges zu schmücken. Die Fratze des Todes grinste in der Abenddämmerung.
***
Sie erreichten einen kleinen Fluß, der Punta de Auga genannt wurde und einige Meilen weiter südlich in den Canadian River mündete. Den Fluß benutzten sie flußabwärts reitend, um ihre Spuren zu verwischen. Zamorra befürchtete, daß Kundschafter ihnen in der Nacht folgen würden, und wollte alles tun, um nicht entdeckt zu werden.
Sie waren Gejagte, und das hatten sie vor allem Olaf, dem Wikinger, zu verdanken. Warum hatte er den Medizinmann töten müssen? Es wäre auch anders gegangen.
Aber es hatte kaum Sinn, ihm deshalb Vorhaltungen zu machen. Olaf war ein Kind seiner Zeit, und für ihn war das Töten völlig normal. Und woher sollte er auch wissen, was seine Tat in diesem Land bedeutete?
Im Indianerland!
Eine dumpfe Furcht fraß sich in Zamorra empor. Zwar war von den Roten nirgendwo etwas zu sehen, aber sie konnten längst überall sein.
Als die Dunkelheit hereingebrochen war, ritten sie noch eine halbe Stunde, bis das Ufer so hart wurde, daß es keine Hufabdrücke gab. Da verließen sie den Fluß und bewegten sich nach Nordosten. Nach einiger Zeit wurde der Boden wieder weicher, aber Zamorra hoffte, daß sie ihre Verfolger trotzdem genügend verwirrt hatten. Zumindest in der Nacht würden sie Schwierigkeiten haben, die Spur wieder aufzunehmen. Und Spürhunde hatten sie nicht. Hunde zählten bei den Indianern lediglich zu den Nahrungsmitteln.
Plötzlich hielt der Römer, der gerade die Spitze hielt, an. »Da ist etwas vor uns«, sagte er.
Zamorra spähte durch die Dunkelheit.
»Könnten Häuser sein«, sagte er. »Eine Ranch? Nein, dafür ist es zu groß. Wahrscheinlich eine Stadt.«
»Aber es gibt kein Licht«, sagte Nicole. »So spät ist es doch noch nicht. Alle Menschen können doch jetzt noch nicht schlafen. Die Stadt, wenn es eine ist, ist verlassen.«
»Eine Geisterstadt… ja, vielleicht«, murmelte Zamorra. »Trotzdem. Dort gibt es Häuser und Schutz vor der Nachtkälte. Laßt uns hinreiten.«
»Und wenn die Rothäute uns in dieser Geisterstadt festnageln?« gab Nicole zu bedenken.
Zamorra lächelte schmal. »Solange ich Wände um mich habe, kann ich mich mit dem Rücken an diese lehnen und brauche nur noch nach zwei Seiten zu kämpfen. Vielleicht gibt es auch noch eine funktionierende Telegrafenstation. Wir könnten Hilfe von den Texas Rangers oder der Armee anfordern. Vielleicht ist ein Fort in der Nähe… Auf jeden Fall beginnen unsere Chancen wieder zu steigen.«
»Dein Wort in Manitous Ohr«, sagte Nicole.
Tanista und Olaf schwiegen.
Zwanzig Minuten später hatten sie den Rand der Stadt erreicht. Sie war tatsächlich verlassen, und das wahrscheinlich schon seit längerer Zeit.
Zamorra beschlagnahmte ein Haus am Stadtrand. Sie konnten die Pferde in einem Schuppen, der zum Haus gehörte, unterstellen, versorgten sie mit Wasser aus einem Ziehbrunnen, nur mit Futter konnten sie nicht dienen. Nun ja, die Pferde würden eine Nacht auch mit knurrenden Mägen überstehen.
»Türen und Fenster verbarrikadieren«, ordnete Zamorra an. Anschließend verteilten sie die Zimmer im Obergeschoß für die Nachtruhe. Tanista und Olaf schwiegen. Sie akzeptierten Zamorras Führungsrolle, weil nach kurzen Gesprächen sich herausgestellt hatte, daß diese Epoche für ihn Vergangenheit war und er sich besser auskannte als die beiden anderen, die in ihre Zukunft versetzt worden waren.
»Wir halten abwechselnd Wache«, bestimmte Zamorra. »Es kann trotz allem sein, daß die Comanchen uns bis hierher gefolgt sind. Wir wech- 58 seln uns alle zwei Stunden ab. Das müßte reichen. Ich übernehme die erste Wache, Nicole die zweite.«
»Ich die vierte«, sagte der Centurio schnell, ehe Olaf ihm zuvorkommen konnte. So konnte der Römer sechs Stunden ununterbrochen schlafen, während Olaf für die dritte Wache bereits nach vier Stunden wieder hoch mußte, und es war fraglich, ob er nach Ablauf seiner Wache noch einmal für zwei Stunden Schlaf würde finden können.
Grimmig bequemte sich der Wikinger in sein Schicksal.
Zamorra stieg bis aufs flache Dach des Hauses hinauf, von dem
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