0289 - Kassandras Tiefseefluch
Worauf wartet ihr? Aber - überlebt!« keuchte Zamorra und begann selbst zu laufen.
Da sah ihn Kassandra.
Und ein gellender Schrei hallte über die Straße, durch das nächtliche Dorf!
***
Georgio Papaleandros wohnte mit seiner kleinen Familie am Ortsrand. Daß sich Fremde im Dorf aufhielten, hatte er erfahren, als er vom Fischen zurückkam. Gesehen hatte er sie nicht, weil er genug damit zu tun hatte, die Netze zu flicken und die Fische zu sortieren und einzulagern. Das war eine Arbeit, die zehn Hände erforderte, und seine Frau, der Sohn und er hatten nur sechs. Dann kam der Abend, und Georgio hatte keine Lust mehr, jetzt noch zum Gemeinschaftshaus zu gehen. Außerdem interessierte ihn die Sache kaum. Die Welt existierte seit Millionen von Jahren, und sie würde auch in weiteren Millionen Jahren noch existieren, auch wenn ein paar Schiffbrüchige hier waren und eine Kassandra mit ihren Dienern. Na und? Sie waren gekommen, sie würden auch wieder gehen. Inzwischen aber hatte Georgio eine Familie zu ernähren und erfreulich viel dabei zu tun.
Den siebenjährigen Sprößling hatte er schon mal in die Heia geschickt und wollte sich gerade anschicken, mit seiner geliebten Helena dasselbe zu tun, als er hörte, wie die Tür zum Hinterhof geöffnet wurde.
Besucher hatte Georgio noch nie rausgeschmissen, weil die selten ohne Grund kamen. Und wenn es so spät war, dann mußte es ein wichtiger Grund sein. Aber Besucher benutzten für gewöhnlich die vordere Tür, und höfliche Besucher klopften vorher an. Immerhin konnte es ja sein, daß Georgio und Helena schon im Bett lagen und das taten, was schon in der Antike in Troja ihre Namenscousine und der flotte Entführer Paris getan hatten.
Dieser Besucher aber, der durch die Hintertür kam, mußte zur außerordentlich höflichen Sorte gehören. Entsprechend ungnädig reagierte Georgio. »Das darf doch nicht wahr sein… wir werdens ziemlich kurz machen, Freundchen«, murmelte er und riß die Wohnstubentür auf, die in den Korridor führte.
Der war verdunkelt. Elektrischen Strom, den man nach Herzenslust vergeuden konnte, gab es in Georgios Haus nicht, und wer genau wußte, wo Treppenstufen, Möbel und Türen waren, brauchte kein Licht. Schließlich fanden sich auch Blinde in ihren Wohnungen zurecht.
Deshalb sah Georgio nur eine hünenhafte Gestalt vor der Hoftür, als Schattenriß vor dem mondhellen Nachthimmelausschnitt erkennbar. Und diese Gestalt bewegte sich, als sei sie nicht ganz sicher auf den Füßen.
»Was willst du?« fragte Georgio schroff. »Warum klopfst du nicht an?«
»Ich will dich zu Kassandras Diener machen«, sagte der Fremde dumpf.
»Was für'n Blödsinn?«
Da war der unhöfliche Fremde schon bei Georgio und packte zu. Der begriff, daß er in Gefahr war, duckte sich und rammte die Schulter gegen den Leib des Fremden. Der Unhöfliche knickte ein und drosch dabei beide Fäuste in Georgios Rücken. Aufstöhnend brach der Fischer zusammen. Ein Fußtritt hebelte ihn wieder hoch und schleuderte ihn vor die Wohnzimmertür. Dort schrie Helena auf.
Georgio war fassungslos und vor Schmerzen fast wahnsinnig. In seinem eigenen Haus überfallen zu werden, das hatte es seit Alexander dem Großen doch nicht mehr gegeben! Aber irgendwie spürte der Fischer, daß das nicht nur ein Überfall war, sondern daß es ihm und wohl auch seiner Familie ans Leben gehen sollte.
Diese Erkenntnis entfesselte seine letzten Kraftreserven. Beide Füße voraus, stieß er sich von der Wand ab und traf den Fremden mit den Füßen, schmetterte ihn hart gegen die gegenüberliegende Wand. Knackte da nicht etwas?
Aber der Kerl fiel nicht bewußtlos oder tot um! Wie ein Roboter griff er wieder an. Wie ein Zombie…
Das war es…
»Hol Hilfe!« keuchte Georgio. Helena stand da wie gelähmt. Ein wuchtiger Schlag des Zombie fegte Georgio durch den Korridor. Er konnte den Aufprall gegen die vordere Tür nicht abfangen, schlug mit dem Kopf dagegen und verlor fast die Besinnung. Er versuchte sich aufzurichten, schaffte es aber nicht. Ihm fehlten die Kräfte. Die Benommenheit drohte ihn zu überwältigen.
Der Zombie stapfte ins Wohnzimmer. Georgio hörte Helena schrill schreien.
***
Kassandra erkannte Zamorra. Sie schrie auf vor Zorn und Enttäuschung. Sie hatte geglaubt, ihn in der Tiefe vernichtet zu haben, als sie ihm das Amulett entriß.
Er konnte es nicht überlebt haben, seinen Schutz zu verlieren!
Und doch existierte er!
Die beiden Menschen in seiner Begleitung verblaßten
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