029 - Die neue Macht
den Zellentrakt. Erst als sich die Tür hinter ihm schloss, ohne dass Drax ihn als Mörder beschimpft hatte, dachte er an das Wellendiagramm auf dem Scanner.
In seiner achtjährigen Karriere als Arzt wären ihm solche Hirnströme noch nicht begegnet. Manche der Linien fielen bereits aus dem messbaren Bereich heraus, die meisten anderen lagen im Grenzbereich.
Malcolm unterdrückte ein Kichern, als er erkannte, dass sein Mord eigentlich unnötig gewesen war. Die Halluzinationen, unter denen Drax litt, waren nicht das Resultat von starkem Stress und ständigen Gefahren.
Er verlor ganz einfach den Verstand.
***
Dayna verpasste Malcolm um weniger als fünf Minuten. Während der Soldat am Eingang des Trakts sie wegen der WCA-Kennung sofort eintreten ließ, fing der Wärter im Inneren sie noch vor den Zellen ab.
»Ich habe strikten Befehl, niemanden ohne vorherige Genehmigung zu dem Gefangenen zu lassen«, sagte er lauter als nötig. »Und Sie haben keine Genehmigung.«
Dayna seufzte. »Hören Sie, Corporal, ich bearbeite diesen Mordfall. Das berechtigt mich automatisch dazu, Commander Drax zu verhören. Leuchtet Ihnen das nicht ein?« Ihr war klar, dass er diesen Ärger nur veranstaltete, weil sie von der WCA war, er jedoch zur WM gehörte.
Der Soldat schüttelte den Kopf. »Mir leuchtet nur ein, was man mir sagt.«
»Okay, wenn Sie es so wollen. Fragen Sie doch bitte im Büro des Präsidenten nach, ob die Genehmigung erteilt wird. Wenn man dort ja sagt, wird das wohl genügen.«
»Ich habe eine bessere Idee«, entgegnete der Wärter und rückte das Mikro unter seinem Kinn zurecht.
»Corporal Whalen an General Crows Büro. Over.«
O nein, dachte Dayna, während Whalen das Problem schilderte. Nicht ausgerechnet Crow…
Einen Moment blieb es still im Zellentrakt, dann bellte Whalen plötzlich: »Yessir! Sofort, Sir!«
Die Art, in der er strammstand, verriet Dayna, dass er mit dem General persönlich sprach. Ihre Hoffnungen sanken.
»Jawohl, Sir!« Er warf Dayna einen missmutigen Blick zu. »Sie haben uneingeschränkten Zugang zu dem Gefangenen.«
Die Agentin nickte, als habe sie nichts anderes erwartet. Ihre Gedanken stellten jedoch nur eine Frage: Warum?
»Gut, Corporal. Geben Sie mir die Schlüssel und warten Sie vor der Tür. Ich möchte allein mit Drax sprechen.«
»Die Schlüssel?«
»Natürlich. Der General sagte doch ›uneingeschränkter Zugang‹, oder?«
Der Soldat zog die Karte aus seinem Gürtel und reichte sie ihr zögernd. »An Ihrer Stelle würde ich das nicht tun«, sagte er. »Der Irre hat eben noch seine Zelle zerlegt.«
»Danke für den Hinweis.«
Dayna wartete, bis Whalen den Trakt verlassen hatte, dann ging sie zu der einzig belegten Zelle.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte sie Matthew.
Der hob die Schultern. »Abgesehen von den Taratzen, die einen Riesenlärm in der Nebenzelle veranstalten, ganz gut.«
Dayna war sich nicht sicher, ob das ein Scherz war, deshalb ging sie nicht darauf ein. »Erzählen sie mir, was passiert ist?«, fragte sie stattdessen.
Matthew stand von seiner Pritsche auf und begann in der Zelle auf und ab zu gehen. »Wenn ich das nur wüsste. Ich bin eingeschlafen, wachte auf und…« Er stöhnte und presste die Hände gegen seinen Kopf.
Dayna sah ihn besorgt an. »Was ist los?«
»Ich weiß nicht. Es…«
Mit einem Schrei brach er zusammen und blieb reglos liegen.
»Matthew!« Die Agentin steckte die Schlüsselkarte in den Türschlitz und riss die Gittertür auf. Sie ging neben Matt in die Knie. Er schien nicht zu atmen.
Dayna drehte sich um, wollte nach dem Wärter rufen. Im gleichen Moment legte sich eine Kette um ihren Hals und schnürte ihr die Luft ab. Instinktiv griff sie danach, aber der Druck verstärkte sich nur.
Matthew Drax' Gesicht tauchte neben ihr auf. In seinen Augen flackerte es. »Keinen Laut«, zischte er.
Matt lockerte den Druck der Handschellen ein wenig. Zu seiner Erleichterung schrie Dayna nicht, sondern blieb ruhig sitzen. Es tat ihm Leid, dass er ihr Vertrauen so missbrauchen musste, aber er wusste keinen anderen Ausweg.
»Du machst alles nur noch schlimmer, Matthew«, sagte die Agentin leise. »Wenn du mich jetzt loslässt, wird niemand erfahren, was du gerade getan hast.«
»Dann wird aber auch niemand erfahren, wer den Mord wirklich begangen hat«, entgegnete er. »Ich war es nämlich nicht!«
Daynas Schweigen verriet deutlich, dass sie ihm nicht glaubte. Matt konnte ihr das nicht verdenken, denn bis vor ein paar Minuten
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