0291 - Medusas Höllenschwester
die Flammen auszutreten. Aber das trockene Stroh entflammte blitzschnell an fast allen Stellen zugleich. Die Ratten wichen kreischend und fiepend zurück, rasten auf das Schlupfloch zu und versuchten hindurchzukommen. Sie kratzten und bissen aufeinander ein, weil nicht jede die erste sein konnte. Ein wirres Durcheinander bildete sich, während das Strohfeuer lichterloh emporflammte.
Wang zeterte und versuchte, hin und her tanzend, die flammenden Strohbündel zusammenzuschieben. Dichter Qualm legte sich auf die Atemwege der Menschen. Manuela und der Chinese husteten krampfhaft. Bill versuchte ganz ruhig zu bleiben und kaum zu atmen. Er schob das brennende Stroh mit den Stiefeln gezielt auf die Tür zu. Dann begann er systematisch Ratten zu zertreten, sofern er sie noch erwischte.
Die Flammen leckten am trockenen Holz der Tür empor. Bill hoffte, daß die Tür Feuer fing, ehe das Strohfeuer wieder erlosch. Manuela und der Chinese hockten verkrümmt in den hintersten Ecken der Zelle, husteten und rangen um Luft. Bill filterte den Qualm durch den Ärmel siener Khakijacke, soweit das möglich war. Auch er wurde vom Hustenreiz geplagt, und seine Augen tränten vom Rauch, aber er ertrug es besser als die beiden anderen, weil er darauf vorbereitet gewesen war.
Das Feuer verglomm allmählich. Der Rauch blieb. Und ein paar kleine Glutfünkchen hatten sich in der Holztür gebildet.
»Bist du - wahnsinnig?« keuchte Manuela verzweifelt.
Bill schüttelte den Kopf. »Die Ratten - sind wir los. Die kommen - nicht so schnell - wieder«, preßte er kurzatmig hervor.
»Du hättest - uns umbringen können!«
»Del Lauch ist schlimm«, ächzte Wang. »Zieht nicht dulch Fenstel ab!«
Das war Bill inzwischen auch klar geworden. Nur wenig Rauch verschwand durch die winzige Öffnung. Aber damit mußten sie leben. Lieber flach atmen und Ruhe haben, als von Ratten angefressen zu werden! Und wenn darüber hinaus jetzt die Tür abbrannte…
Er half mit seinem Feuerzeug weiter nach. Die leckenden, züngelnden Flammen begannen aufzusteigen.
»Ist vielleicht gut, daß kaum Rauch abzieht«, murmelte er. »Könnte Verdacht erregen.«
Wang schüttelte sich. »Hitze zum Schlangen kochen«, prostierte er. Bill drehte kurz den Kopf, sah ihn an und grinste. Schweiß und Ruß hatten in seinem Gesicht interessante Spuren gezogen. Manuela sah ebenfalls rußig aus, und Bill war sicher, daß er selbst keinen anderen Anblick bot.
»Was wäre gewesen, wenn unsere Kleidung… wenn wir selbst Feuer gefangen hätten?« fragte Manuela vorwurfsvoll.
Bill küßte sie. »Dann«, verkündete er, »hätte Wang uns den Eingeborenen bestimmt als gebratene Schlange verkauft.«
»Eh, du, das finde ich alles gar nicht witzig!« wehrte sich Manuela. »Du wirst langsam geschmacklos.«
Die Tür-Flammen schlugen jetzt bereits hoch und strömten weitere Hitze aus. Die Menschen wichen weiter zurück.
»Dunkle Menschen nicht dumm«, sagte Wang. »Weiden bemelken Feuel und kommen, um zu löschen. Und dann weiden sie uns bessel einspellen als bishel.«
»Vorher sind wir aber verschwunden. Die Tür hält nicht mehr lange.« Bill schützte sein Gesicht mit vorgehaltenen Armen gegen die Hitze, dann trat er kräftig gegen die brennende Tür, mehrmals hintereinander, wich dabei geschickt den nach ihm tastenden Flammen aus. Plötzlich krachte die Tür aus den brennenden Angeln, kippte nach außen weg.
»Raus hier!« befahl Bill.
Sie stürmten ins Freie.
Aber sie kamen nicht weit.
Natürlich war das Feuer längst entdeckt worden! Aber auch nur, weil gerade ein weiterer Gefangener gebracht werden sollte. So waren die aufgebrachten Eingeborenen gerade in bester Laune, die Flüchtenden wieder einzufangen unçl handgreiflich daran zu erinnern, daß sie außerhalb ihres Gefängnisses nichts zu suchen hatten.
Sie wurden erneut überwältigt, gefesselt und eingesperrt. Diesmal in einem anderen Häuschen. Und jeder für sich allein in einem eigenen abgeschlossenen Raum.
Diesmal hatten sie keine Möglichkeit mehr, sich zu befreien…
***
In den frühen Morgenstunden, kurz nach acht Uhr, rollte die zweimotorige Maschine auf dem Flughafen von Tunis aus. Zamorra und Nicole hatten einen längeren Aufenthalt in Rom gehabt, weil sie kein direktes Flugzeug hatten bekommen können. Von Lyon nach Rom war es hektisch und schnell gegangen, aber dann hatten sie auf dem Aeroporte Leonardo da Vinci auf die Verbindung nach Tunis warten müssen. Erst nach fünf Stunden war es
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