03 - Feuer der Liebe
hinunter.
Du meine Güte, ich habe das Kind
völlig vergessen, dachte Gabby. Sie richtete ihren Blick wieder auf ihren
zukünftigen Schwager. »Darf ich Phoebe mit nach Hause nehmen? Wir könnten beim
Zahlmeister eine Nachricht für Mrs Ewing hinterlassen.«
Quill blickte sich an der
Anlegestelle um. »Wir scheinen keine andere Wahl zu haben, nicht wahr?«
So sehr Gabby es auch versuchte, sie
konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Erskine hatte wirklich das
ausdrucksloseste Gesicht, das sie je gesehen hatte. Nur wenn er lächelte,
wurden seine Augen lebendig. Er hatte grüne Augen, dunkle, graugrüne Augen, die
sie an eine ruhige, spiegelglatte See erinnerten.
Ohne ein weiteres Wort ging Mr
Dewland zum Zahlmeister hinüber und erkundigte sich nach Miss Jerninghams und
Phoebes Gepäck.
Gabby ging neben dem Kind in die
Hocke. »Willst du mit mir zu Peters Haus kommen, Phoebe? Ich fürchte, deine
neue Mutter hat noch nicht erfahren, dass unser Schiff angelegt hat. Aber es
wäre mir eine große Freude, wenn du mich begleiten würdest.«
Das kleine Mädchen nickte. Gabby konnte
sehen, dass Phoebe den Tränen nah war, und so nahm sie die Kleine liebevoll in
den Arm. »Du bleibst bei mir, bis wir deine Mutter gefunden haben, mein
Zuckerpfläumchen. Ich werde dich nicht allein lassen.«
Locken, deren Farbe an Butterblumen
erinnerten, rieben sich an Gabbys Schulter. Dann richtete sich Phoebe auf.
»Meine ayah sagt, englische Damen zeigen niemals ihre Gefühle«, sagte
sie und schluckte.
»Da kenne ich mich nicht so gut
aus«, erwiderte Gabby. »Ich habe jedenfalls ein bisschen Angst davor, Peter zu
begegnen. Und Kasi Rao fehlt mir bereits schrecklich. Es würde mir also viel
besser gehen, wenn ich eine alte Freundin bei mir hätte, wie zum Beispiel
dich.«
Phoebe straffte die Schultern und
nahm Gabbys Hand. »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte sie. »Ich werde Sie
nicht allein lassen. Aber vielleicht sollten Sie Ihr Haar richten. Es löst sich
schon wieder aus dem Knoten.«
Gabby legte zaghaft die Hand an ihr
Haar. »Mist!« Sie hatte versucht es nicht anzufassen, seit sie es am Morgen
hochgesteckt hatte, in der Hoffnung, sie würde sich Peter von ihrer vorteilhaftesten
Seite zeigen. Gabby riss die Haube herunter und reichte sie Phoebe.
Langjährige Erfahrung hatte sie
gelehrt, dass sie ihre üppigen, unordentlichen Locken nur zu ihrer
Zufriedenheit aufstecken konnte, wenn sie ganz von vorn anfing.
Quill drehte sich nach seiner
Unterhaltung mit dem Zahlmeister um und blieb wie angewurzelt stehen.
Gabrielle Jerningham zog gerade die Nadeln aus ihrem Haar, das sich daraufhin
in einer prachtvollen, ungebändigten Flut über ihren Rücken ergoss, bis ihr
die langen, bronzefarbenen Locken bis zum Po reichten. Quill schluckte. Er
hatte in der Öffentlichkeit noch nie eine Frau mit offenem Haar gesehen, aber
Miss Jerningham — Gabby stand einfach da und schüttelte ahnungslos ihre
Locken, als wären die Matrosen, Stauer und Seeleute gar nicht da.
Die Männer starrten die köstliche,
junge Frau in ihrer Mitte jedoch mit offenem Mund an. Es war fast, als würde
sie sich in der Öffentlichkeit entkleiden.
Quill war blitzschnell an ihrer
Seite. »Wo zum Teufel ist Ihre Kammerzofe?«, herrschte er sie mit finsterer
Miene an.
Gabby blinzelte. »Ich habe keine«,
erwiderte sie. »Mein Vater hält nicht viel davon, er sagt immer, eine richtige
Dame kann allein in ihre Kleider steigen.«
»Eine Dame kämmt sich nicht in der
Öffentlichkeit!«
Zum ersten Mal sah Gabby sich um und
bemerkte die Blicke der Männer, die sich daraufhin hastig abwandten.
»Ich fürchte, ich bin daran gewöhnt,
von allen beobachtet zu werden«, sagte sie munter. »Im Dorf waren mein Vater
und ich die einzigen Europäer. Mein Haar wurde als Glücksbringer angesehen
...«
Sie brach ab, als Mr Dewland ihren
Arm packte. »Kommen Sie mit, Miss Jerningham.« Er blickte auf Phoebe hinunter,
die immer noch Gabbys Haube umklammerte. »Gib das her.« Er nahm die Haube und
stülpte sie Gabby auf den Kopf. Das Resultat bot einen absurden Anblick.
»Miss Jerningham.« Seine Stimme war
ein Befehl.
Gabby zuckte leicht die Achseln und
nahm Phoebes Hand. Sie konnte ihr Haar immer noch in der Kutsche hochstecken.
Sie kletterte in Mr Dewlands Wagen,
zog Phoebe neben sich auf den Sitz und drehte dann energisch ihr Haar zu einem
Knoten, den sie am Hinterkopf befestigte.
»Das sieht viel besser aus«, sagte
Phoebe, als Gabby zur Sicherheit noch ein paar
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