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03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen

Titel: 03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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stets viel Sonne haben. Bald wird ein kleiner grüner Keim sein Köpfchen aus dem Erdreich schieben. Dann musst du ihm genug Platz geben, damit er sich zu einer großen Pflanze entwickeln kann“, erklärte ich.
    Meine Schwester hatte uns beobachtet und drückte mir am nächsten Tag eine riesige Lupe in die Hand. Sie war eigens bis nach Jos gefahren, um sie zu kaufen. Ich
    bedankte mich für die Aufmerksamkeit, die sie mir schenkte. Es war so rührend, wie besorgt sie um mich war. Was immer ich brauchte, Magdalena schien es manchmal vor mir zu wissen.
    Immer wieder schob ich das Vergrößerungsglas zwischen die Tomatenkernchen und meine fast blinden Augen. Mama Bisi beobachtete mich. „Meine Kleine, ich glaube, du willst alles noch einmal neu sehen, um dir gut zu merken, wie es war. Es ist so unglaublich, wie du damit umgehst.
    Du hast es nicht leicht gehabt. Das lässt dich heute wohl mit allem besser fertig werden.“
    Als ich Josh einen Tag später mein kleines Tomatenwunder mit der Lupe vorführen wollte, konnte ich nichts mehr erkennen. Ich gab sie an meinen Sohn weiter, damit er die Welt annähernd so sehen konnte, wie sie sich mir dargestellt hatte: Jedes Detail, mochte es auch so winzig sein wie ein Tomatenkernchen, war nun für ihn von großer Wichtigkeit. Mir blieben nur meine Fingerspitzen, um es zu ertasten.
    Josh nahm mich immer öfter bei der Hand, führte mich herum und erzählte mir, was er sah. Das war wieder eine wundervolle Erfahrung.
    Denn ich hatte völlig vergessen, wie ein Kind zu sehen. An den Dingen, von denen er mir berichtete, war ich gewiss hundertmal vorbeigelaufen. Ohne sie zu sehen. Jetzt, da meine Augen mir diesen Gegenstand nicht mehr zeigen konnten, entdeckte ihn Josh für mich neu. Das wurde sogar ein Spiel: Er beschrieb etwas und ich musste raten, was es war. Ich rand das richtig spannend. So erkundeten wir die ganze rarm, die angrenzenden Felder und auch den Kräutergarten.
    Manchmal, wenn Josh mich hin und her geführt hatte, verlor ich die Orientierung. So wusste ich einmal zwar, dass wir im Kräutergarten standen. Doch der genaue Ort
    war mir unbekannt. Plötzlich gab es ein Geräusch. „Weißt du, was das ist, Mama?“, fragte Josh. Ich musste raten, kam jedoch nicht darauf. „Ich habe einen Stein in den Brunnen geworfen.“
    „Ich habe kein Platschen gehört“, sagte ich.
    „Es ist kein Wasser drin, Mama! Womit sollen wir die Pflanzen gießen?“

Seine Stimme war sehr besorgt.
    Ich erklärte ihm, dass dieser Brunnen von einer kleinen unterirdischen Wasserader gespeist wurde. Wenn es eine Weile nicht geregnet hatte, trocknete der Brunnen aus. „Wenn du älter wirst, dann wirst du erleben, dass manche Dinge Zeit brauchen. So lernt man die Geduld kennen und erfährt, dass irgendwann neuer Regen fällt. Er füllt dann unseren Brunnen.“
    „Können denn die Pflanzen so lange warten? Haben die auch Geduld?“, wollte er mit seiner präzisen Logik wissen.
    „Du befühlst die Erde und die Blätter der Pflanzen. So spürst du, welche von ihnen Geduld haben. Für die, die nicht warten können, muss man das Wasser vom Hausbrunnen holen. Der ist tiefer.“ Ich beugte mich zu einem Busch, dessen Blätter gegen Durchfall wirksam waren, und befühlte sie.
    „Der hier braucht spätestens morgen Wasser.“
    Josh war dicht neben mir, als er fragte: „Wenn wir beide Pflanzen sind, dann brauche ich früher Wasser, oder?“
    „Kinder“, sagte ich, „dürfen gar keine Geduld haben. Sie müssen neugierig sein und alles entdecken. Wenn sie wie die Pflanzen ruhig auf den Regen warten würden, wären sie keine Kinder.“
    Seine Antwort rief er Hope zu: „Komm, wir machen ein Wettrennen!“
    Dann hastete er davon und Hopes schnelle Pfoten folgten ihm. Mich hatte er in diesem Augenblick vergessen. Und das war gut so. Denn es zeigte mir, dass er mich nicht für eine völlig hilflose Frau hielt. In der Wahrnehmung meines Sohnes wollte ich nichts weniger als das sein. Dabei half mir, dass mich mein Leben als Sehende in mancher Beziehung auf mein Leben als Blinde vorbereitet hatte. Das galt besonders für meine Füße; ich war immer barfuß gelaufen und bemerkte nun, dass meine Fußsohlen Erinnerungen gespeichert haben.
    Meine Leidenschaft für die Natur ließ mich auch empfindlicher auf die leisesten Geräusche reagieren. So wusste ich, dass ich in der Nähe des Brunnens war, wenn die zarten Blätter des kleinen Blutbaumes leise im Wind flüsterten. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass

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