03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen
helfen.“
„Da steht irgendwo dein Tee. Trink den bitte“, forderte ich ihn auf.
„Mami, du hast ihn umgeworfen“, erwiderte Josh und gab mir den leeren Becher. Ich hörte ihn davongehen.
Ein Unfall, hatte Ezira in ihrem Brief vermutet. Ich stützte mich schwer atmend auf meinen Stock und starrte in den undurchsichtigen Schleier, der mich auf Schritt und Tritt begleitete. Was nutzte ein Orakel, wenn ich dem Leben so ohnmächtig ausgeliefert war, dass ich nicht einmal beurteilen konnte, ob mein Sohn sich in Gefahr begab oder nicht?
Wie ich es mir vorgenommen hatte, ging ich mit Bisi nun regelmäßig in den Kräutergarten. Wir studierten all die vielen Pflanzen ausgiebig, und meine Lieblingsmama musste wiederholen, wofür jede einzelne gut war. Mein Leben hatte sich auf den Kopf gestellt: Als Kind hatte Bisi mich durch den Haremsgarten geführt und mich in die Geheimnisse der Botanik eingeweiht. Obwohl es dort wesentlich weniger Pflanzen gegeben hatte, hatte sie dennoch damals mein Interesse geweckt. Durch meine Ausbildung zur Heilerin wusste ich nun viel mehr als sie und konnte ihr zurückgeben, was ich einst als Geschenk erhalten hatte.
Amara war noch nicht lange fort, als ich mit Bisi wieder einmal aus dem Garten zur Farm zurückkam. Seitdem ich so schlecht sah, verließ ich mich stärker auf mein Gehör. So nahm ich schon frühzeitig eine dunkle Männerstimme wahr und fragte Bisi, ob sie wisse, wer es sei. Doch sie hatte den Mann noch nicht einmal gehört! Das war einer jener winzig kleinen Momente stillen Triumphs, die mir meine verlagerte Wahrnehmung gönnte.
Es war Dr. Rashid, und er war gerade dabei, Josh kennen zu lernen. Wir kamen dazu, als er meinen Sohn fragte, wie es ihm gehe.
„Sehr gut!“, rief Josh unbekümmert. In der Tat zeigten sich keine neuen Anzeichen der Krankheit. Um zu verhindern, dass Josh den Grund für Dr. Rashids Besuch erfuhr, schickte ich ihn mit Hope zum Spielen. Wie stets gehorchte mein Sohn. Wenngleich ich überzeugt war, dass er darauf brannte, zu erfahren, wer dieser fremde Mann war.
Männliche Besucher hatten wir so gut wie
nie.
Rashid reichte mir zur Begrüßung die Hand. Ich missachtete sie unabsichtlich und ärgerte mich über meine Ungeschicktheit. In Zukunft würde ich Besuchern rechtzeitig die Hand reichen, dann konnte eine solch peinliche Situation nicht entstehen. Bisi, die nicht von meiner Seite gewichen war, begleitete mich zur Veranda, wo wir Platz nahmen. Mit festem Schritt eilte auch Magdalena herbei. Sie erkundigte sich nach Dr.
Nwosu, der diesmal wegen anderer Verpflichtungen nicht mitgekommen war.
„Wir haben die Zutaten Ihres Tees untersucht“, begann Dr. Rashid. „Er enthält viel, von dessen Wirkung wir überzeugt sind“, erklärte er.
Mein Herz machte einen kleinen Freudensprung. Es tat gut, zu hören, wie der studierte Mann bestätigte, dass wir mit unserer Erfindung richtig lagen. Schließlich hatten wir noch nie die Meinung eines Dritten gehört.
Gleichzeitig bedauerte ich, dass Amara nicht mehr da war. Sie hätte gewiss einen Weg gewusst, um Dr. Rashid an den Blutbaum zu erinnern.
„Sie meinen, der Tee wirkt wirklich?“, fragte stattdessen Magdalena. Sie hatte es also doch nicht ganz geglaubt!
„Es kommt natürlich auf die Zusammensetzung an. Doch dafür brauche ich den fertigen Tee“, erwiderte der Arzt.
„Ich will Ihnen gern den Tee mitgeben“, sagte ich. „Aber Sie wissen ja, wie meine Freundin darüber denkt.“ ich erklärte ihm, dass Amara wieder in Lagos war.
„Ich komme nicht mit leeren Händen“, meinte Dr. Rashid. Leider konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, um einzuschätzen, wie ernst ihm unser Anliegen war. Doch seine Stimme klang einnehmend. „In Jos gibt es eine Art Waisenhaus; es liegt am Stadtrand und besteht eigentlich nur aus Hütten. Dort leben Kinder, deren Eltern an Aids gestorben sind. Viele von ihnen sind selbst HIV-positiv. Ich habe mit der Leiterin dieses Waisenhauses gesprochen. Sie wäre sehr glücklich, wenn einige ihrer Schützlinge auf dieser Farm leben könnten. Sie könnten sie dann gleichzeitig mit Ihrem Tee behandeln, Frau Egbeme. Mein Kollege Dr.
Nwosu arbeitet mit Firmen zusammen, die dieses Projekt finanzieren würden.“
Bevor ich etwas erwidern konnte, sagte Magdalena: „Das ist eine phantastische Idee, Doktor! Wir haben sehr viel Platz, nachdem unsere Freundinnen nach Lagos gegangen sind. - Stell dir vor, Choga, was das für Josh bedeuten würde: Er hätte Kinder zum Spielen
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