03_Im Brunnen der Manuskripte
bisher noch zur Spannungsliteratur zählen,
ebenfalls selbständig werden wollen.«
»Ist das hier immer so langweilig?« fragte ich, während die
Thriller-Delegierte ihre Argumente abspulte.
»Ja«, sagte Miss Havisham. »Wir versuchen, jeden direkten
Kontakt zu vermeiden, und überlassen es TextGrandCentral,
sich mit diesen müßigen Debatten auseinander zu setzen.
Komm jetzt.«
Wir verließen die Besuchergalerie und gingen weiter den
Gang hinunter, bis wir zum kleinsten Büro kamen, das ich je
gesehen hatte. Hinter einem kleinen Schreibtisch saß ein ebenso
kleiner Mann, der Kekse aß, von denen ihm der größte Teil auf
den Anzug herunterrieselte.
»Das ist Thursday Next«, sagte Miss Havisham. »Sie wird
jetzt den Amtseid ablegen. Hier sind die vom Protokollführer
gegengezeichneten Anträge.«
»Nichts als Arbeit«, sagte der kleine Mann, trank einen
Schluck Tee und musterte mich mit seinen eigenartigen
Glubschaugen. »Nie hat man Ruhe. Sie sind schon die zweite in
diesem Jahr!« Er seufzte vorwurfsvoll und wischte sich mit
seiner Krawatte den Mund ab. »Wer unterstützt den Antrag?«
»Commander Bradshaw.«
»Und wer bürgt für Miss Next?«
»Ich.«
»Gut. Stehen Sie auf und wiederholen Sie den Amtseid der
BuchWelt.«
Da ich mich gar nicht erst hingesetzt hatte, blieb ich einfach
stehen und wiederholte, was mir Miss Havisham vorlas: »Ich
schwöre beim Großen Panjandrum, dass ich die Regeln der
Jurisfiktion beachten, die BuchWelt verteidigen und jeden auch
noch so schlecht geschriebenen Fiktionär gegen Willkür und
Unterdrückung beschützen werde. Ich werde meinen Dienst
treu erfüllen und mein Amt und meine Kenntnisse nicht zum
eigenen Vorteil missbrauchen. Alle Geheimnisse, die mir vom
GattungsRat oder von TextGrandCentral anvertraut werden,
will ich getreulich bewahren und alles tun, um die Liebe der
Leser zum Geschichtenerzählen zu fördern und zu erhalten.«
»Das genügt«, sagte der kleine Mann und biss erneut von
seinem Krümelkeks ab. »Unterschreiben Sie bitte hier, hier und
äh, hier. Und Sie müssen das alles bezeugen, Miss Havisham.«
Ich unterschrieb in dem großen Hauptbuch, das er mir vorlegte, und stellte dabei fest, dass die letzte Agentin, die sich hier
eingetragen hatte, Beatrice gewesen war. Nachdem auch Miss
Havisham unterschrieben hatte, schlug er das Buch zu.
»Gut. Hier ist Ihre Marke.« Er reichte mir ein glänzendes Jurisfiktion-Abzeichen, in das unter einem prächtigen Logo mein
Name und meine Dienstnummer eingraviert waren. Es würde
mir ohne weitere Rückfragen Zutritt zu allen Büchern verschaffen – sogar zu denen von Edgar Allen Poe, obwohl offiziell
davon abgeraten wurde, sie zu betreten.
»Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden«, sagte der
fleißige Beamte und sah auf die Uhr. »Ich bin sehr beschäftigt.
Diese Formulare müssen innerhalb eines Monats bearbeitet
werden.«
Wir kehrten zum Aufzug zurück, Miss Havisham drückte auf
das sechsundzwanzigste Untergeschoss, und wir fuhren zurück
in den Brunnen.
»Gut«, sagte Miss Havisham. »Nachdem das erledigt ist,
können wir uns mit der Aufklärung unseres Falles befassen.
Perkins und Mathias wurden ermordet, so viel scheint sicher.
Snell ist auch tot. Und dich hat jemand mit einer Sprengladung
in deinem SchleuderHelm umzubringen versucht. Bisher warst
du nur ein Lehrling, aber jetzt musst du wirklich vorsichtig
sein.«
»Aber warum denn?«
»Weil du jemandem gefährlich werden könntest, und ich
möchte nicht, dass dich jemand umbringt.«
»Ich auch nicht, aber warum sollte jemand das wollen?«
»Ja, das möchte ich auch gerne wissen.«
»Nehmen wir doch mal an«, sagte ich, »dass Deane nicht nur
verschwunden ist, sondern tot. Nehmen wir einmal an, er
wurde ermordet. Gibt es eine Beziehung zwischen Perkins,
Deane, Mathias und mir?«
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte Miss Havisham nach einigem
Nachdenken. »Aber wenn wir davon ausgehen, dass Mathias
nur umgebracht wurde, weil er Zeuge eines anderen Verbrechens war, und wenn wir außerdem annehmen, dass einer
deiner außenländischen Freunde versucht, dich umzubringen,
dann geht es nur noch um Perkins und Deane. Und zwischen
diesen beiden gibt es tatsächlich eine Beziehung.«
»Ach, wirklich?«
»Ja. Harris Tweed, ich, Perkins und Deane sind alle mit einem UltraWord™-Buch ausgestattet worden. Wir sollten es
testen.«
»Das wusste ich nicht.«
»Niemand wusste es. Ich kann es
Weitere Kostenlose Bücher