03_Im Brunnen der Manuskripte
setzte sich auf eine Tischkante.
»Ich habe Erkundigungen eingezogen. Auch abgesehen von
Godot gibt es genügend Beweise für Miss Nexts Verbrechen.«
»Beweise«, sagte ich. »Was für Beweise?«
»Sagt Ihnen das Code-Wort Saphir etwas?«
»Natürlich.«
»Nur acht Jurisfiktion-Agenten hatten Zugang zum Sword of
the Zenobians«, sagte Tweed. »Und vier davon sind jetzt tot.«
»Das ist nicht gerade beweiskräftig.«
»Für sich genommen – noch nicht«, sagte Tweed. »Aber
wenn wir noch andere Tatsachen in Betracht ziehen, passt alles
zusammen. Bradshaw und Havisham benutzen ihre SchleuderHelme und lassen Sie mit Snell allein in den Zenobians zurück.
Als sie wenige Minuten später zurückkommen, ist Snell vom
Mispeling Vyrus verstrahlt. Geschickt gemacht. Sehr schlau!«
»Warum sollte ich denn Miss Havisham umgebracht haben?« fragte ich. »Warum sollte ich überhaupt jemanden umbringen wollen?«
»Ehrgeiz«, sagte Tweed. »Krankhafter Ehrgeiz.«
»Was für ein Ehrgeiz? Alles, was ich will, ist ungestört mein
Kind zur Welt bringen und dann friedlich nach Hause zurückkehren.«
»Sie wollen Protokollführerin werden«, rief Tweed, als wäre
das seine Trumpfkarte. »Als Außenländerin haben Sie gute
Chancen. Allerdings standen einige höher im Rang: Bradshaw,
Havisham, Perkins, Deane – und ich. Bradshaw war schon mal
Protokollführer, die drei anderen sind tot oder werden vermisst.
Wollten Sie mich als Nächsten umbringen?«
»Ich habe keinerlei Ehrgeiz, Protokollführerin zu werden,
und ich habe Miss Havisham nicht getötet«, murmelte ich und
überlegte verzweifelt, was ich jetzt tun sollte.
Tweed beugte sich vor und sah mir direkt ins Gesicht. »Sie
haben Jurisfiktion als Sprungbrett für Ihre finsteren Pläne
benutzt. Ehrgeiz ist sehr gefährlich! Am Anfang treibt er einen
an, aber am Ende zerstört er den, der sich ihm unterwirft!«
Der Protokollführer, der bislang stumm geblieben war, sagte
abrupt. »Ich glaube, das genügt nicht, Mr Tweed. Wir brauchen
substantielle Beweise für Ihre Behauptungen.«
»Das glaube ich gern«, sagte Tweed. »Und die habe ich auch.
Sie wissen ja, dass die drei Hexen über alle ihre Prophezeiungen
Buch führen müssen. Sie tun es nicht gern, aber es bleibt ihnen
nichts anderes übrig. Ohne ordentliche Buchführung dürfen sie
nicht mal aus dem Kaffeesatz lesen. So ist das.«
Er zog ein Blatt Papier aus der Tasche. »Am Tag nach der
Ankunft von Miss Next in Haversham Heights trugen die drei
Hexen folgende Prophezeiungen ein.« Er reichte dem Protokollführer das Blatt, das er mitgebracht hatte. »Bitte lesen Sie
Nummer drei auf der Liste.«
»Weissagung Nummer drei«, las der Protokollführer langsam vor. Und dann: »Heil dir, Miss Next, Protokollführerin sollst
du werden.«
Tweed nahm das Blatt wieder an sich und schob es mir über
den Tisch. »Leugnen Sie das?«
»Nein«, sagte ich niedergeschlagen.
»Wir nennen es das Macbeth-Syndrom«, sagte der Protokollführer traurig. »Ein irregeleitetes Bedürfnis, Prophezeiungen
selbst in die Tat umzusetzen. Es endet fast immer tödlich.
Bedauerlicherweise aber nicht nur für den Patienten.«
»Ich leide nicht am Macbeth-Syndrom«, sagte ich. »Und
selbst wenn es so wäre – sollte nicht auch die kleinste Unregelmäßigkeit bei UltraWord™ genau untersucht werden, Herr
Protokollführer?«
»Es gibt keine Unregelmäßigkeiten«, sagte Tweed rasch. »Ul-traWord™ ist das beste Betriebssystem, was wir je hatten –
narrensicher, stabil und vollkommen fehlerlos. Nennen Sie mir
doch diese angeblichen Probleme! Ich bin sicher, es gibt keine.«
»Nun –«, ich unterbrach mich sofort wieder. Ich wusste, der
Protokollführer war immer noch ein ehrenwerter Mann. Sollte
ich riskieren, ihm jetzt und hier von der Drei-Leser-Regel zu
berichten? Das führte am Ende bloß dazu, dass Tweed seine
Spuren noch weiter verwischte. Je mehr ich mich verteidigte,
desto mehr Anklagepunkte gegen mich würde es geben. Viel
wichtiger war, dass ich meine Handlungsfreiheit zurückgewann.
Ich musste raus aus der Falle.
»Und was soll jetzt aus mir werden?« fragte ich.
»Dauerhafte Verbannung aus der Buchwelt«, sagte Tweed.
»Wir haben vielleicht nicht genügend Beweise für eine Verurteilung, aber um Sie dauerhaft zu verbannen, reicht es allemal.
Und es gibt keine Berufung dagegen. Ich brauche dafür nur die
Bestätigung des Protokollführers.«
»Tja«, sagte der Protokollführer und
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