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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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ein weiteres Kreischkonzert verzweifelter Reifen
    auslöste. Miss Havisham beschleunigte, und wir hatten gerade
    den Scheitelpunkt der Steigung erreicht, als ein großes Umleitungs-Schild vor uns auftauchte. Miss Havisham schlug auf das
    Lenkrad.
    »Ich glaub's ja nicht!« bellte sie.
    »Straße gesperrt?« sagte ich. »Ach, das tut mir aber leid. Na
    ja, wir können's ja ein andermal versuchen.«
    Aber Miss Havisham gab nicht so leicht auf. Sie schaltete
    zwar herunter, so dass wir einen Augenblick langsamer wurden,
    aber dann fuhren wir um das Schild herum auf die leere Straße
    und düsten den Abhang hinunter.
    »Da steckt dieser Mistkerl dahinter!« knurrte Miss Havisham. »Er versucht, mir den Geschwindigkeitsrekord vor der
    Nase wegzuschnappen, das spüre ich doch!«
    »Wer?« fragte ich. Und wie als Antwort auf meine Frage
    brauste ein anderer Rennwagen mit lautem Hupen und Auspuff-Knallen an uns vorbei.
    »Na, der«, sagte Miss Havisham, als wir auf den Seitenstreifen fuhren und neben einer Radarfalle anhielten. »Der Kerl
    fährt so schlecht, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch alle
    anderen in Gefahr bringt.«
    Wenn das schon Miss Havisham sagte, musste der Mann
    wirklich grauenhaft sein. Ein paar Minuten später kam der
    andere Wagen zurück und hielt neben uns an.
    »Ahoi, Miss Havisham!« rief der Fahrer, nahm seine Schutzbrille ab und grinste vergnügt. »Fahren Sie immer noch den
    lahmen Special von Graf ›Schneck‹ Zborowski?«
    »Einen schönen Tag, Mr Toad«, sagte Miss Havisham. »Weiß
    denn der Protokollführer, dass Sie im Außenland sind?«
    »Natürlich nicht!« rief Mr Toad lachend. »Und Sie werden's
    ihm auch nicht sagen, altes Mädchen, denn Sie sind ja wohl
    auch nicht mit seiner Genehmigung hier!«
    Miss Havisham sah starr geradeaus.
    »Ist das ein Liberty-Flugzeugmotor da unter der Haube?«
    fragte Mr Toad und zeigte auf unser Fahrzeug, das heftig vibrierte, während der gewaltige Achtzylinder im Leerlauf rumorte.
    »Vielleicht«, sagte Miss Havisham abweisend.
    »Ha!« sagte Mr Toad mit einem ansteckenden Grinsen. »Ich
    habe mir einen Rolls Royce Merlin in diese alte Kiste hier
    einbauen lassen!«
    Ich beobachtete Miss Havisham von der Seite. Sie starrte
    immer noch geradeaus, aber in ihren Augenwinkeln zuckte es,
    als Mr Toad seinen Motor aufheulen ließ. Am Ende konnte sie
    sich nicht länger beherrschen.
    »Und? Wie läuft er?« fragte sie mit glänzenden Augen.
    »Der geht ab wie eine Rakete!« sagte Mr Toad und hüpfte
    aufgeregt auf und ab. »Über tausend Pferdestärken an der
    Hinterachse – da sieht Ihr Higham Special wie ein Rasenmäher
    aus.«
    »Das wird sich ja zeigen«, sagte Miss Havisham. »Wir treffen
    uns an der üblichen Stelle zur üblichen Zeit?«
    »Abgemacht!« Mr Toad ließ den Motor aufheulen, zog seine
    Brille herunter und verschwand in einer Wolke von Auspuffgasen und verbranntem Gummi. Das Tröten seiner Hupe war
    noch eine ganze Weile zu hören.
    »So ein schleimiges Reptil!« knurrte Miss Havisham.
    »Na ja«, sagte ich. »Das stimmt ja nicht ganz. Er ist mehr wie
    eine Eidechse: trocken und schnell.« Ich wusste, dass ich ein
    bisschen unverschämt sein konnte, sie hörte mir eh' nicht zu.
    »Der hat mehr Unfälle auf dem Gewissen als du warme
    Mahlzeiten.«
    »Und Sie fahren mit ihm um die Wette?« fragte ich etwas
    ängstlich.
    »Allerdings. Und ich werd' ihn auch schlagen.« Sie gab mir
    einen Bolzenschneider.
    »Was soll ich denn damit?«
    »Damit machst du die Kamera der Radarfalle auf, wenn ich
    den Testlauf hinter mir habe. Ich brauche den Film als Beweismittel.«
    Sie setzte eine Schutzbrille auf und brauste mit heulendem
    Motor und kreischenden Reifen davon. Ich sah, wie der Wagen
    in der Entfernung verschwand. Das Motorgeräusch wurde zu
    einem gleichmäßigen Dröhnen, das von einer gelegentlichen
    Fehlzündung akzentuiert wurde.
    Ich sah mich um. Die Sonne schien, und mindestens drei
    Luftschiffe brummten über den Himmel. Ich fragte mich, was
    wohl bei SpecOps lief. Ich hatte Victor geschrieben, dass ich
    mindestens ein Jahr wegbleiben würde, und meine Kündigung
    angeboten.
    Plötzlich weckte mich etwas aus meinem Tagtraum. Etwas
    Dunkles, unmittelbar außerhalb meiner Wahrnehmung. Etwas,
    was mich bedrohte, was ich vergessen hatte oder was ich hätte
    tun sollen. Ich fröstelte, und dann machte es klick. Letzte Nacht.
    Meine Großmutter. Aornis in meinem Kopf. Was hatte sie aus
    meinem Gedächtnis gelöscht?
    Ich seufzte, als

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