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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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braucht man für andere Aufgaben.«
    Ich holte tief Luft und kletterte auf den Beifahrersitz, der unglaublich eng war. Das ganze gewaltige Auto war eigentlich nur
    ein Rennwagen mit ein paar Zutaten, die ihn straßenverkehrstauglich machen sollten. Miss Havisham trat die Kupplung und
    legte den Gang ein. Die Zahnräder übernahmen die Motorkraft
    so ungeduldig wie ein Vollblut, das ein Rennen wittert.
    »Wo fahren wir hin?« fragte ich.
    »Nach Hause!« sagte Miss Havisham und gab Gas. Der Wagen beschleunigte und sprang vorwärts über den grasbewachsenen Burghof.
    »Nach Große Erwartungen?« fragte ich, während Miss Havisham einen großen Kreis fuhr und dabei mit den Hebeln am
    Steuerrad spielte.
    »Nein, nicht zu mir nach Hause, sondern zu dir!«
    Mit einem weiteren tiefen Grollen nahm der Wagen an Fahrt
    auf, aber ich war mir keineswegs sicher, wohin. Vor uns lagen
    nur die Trümmer der Zugbrücke und die äußerst massive
    Burgmauer.
    »Keine Sorge!« Miss Havisham musste laut brüllen, um den
    Motor zu übertönen. »Ich werde uns einfach ins Außenland
    lesen.«
    Die Geschwindigkeit nahm immer noch zu. Ich erwartete
    jeden Moment, dass wir den Sprung machen würden, aber das
    geschah nicht. Wir rasten einfach nur mit mörderischer Geschwindigkeit auf die Burgmauer zu.
    »Miss Havisham?« sagte ich mit furchterstickter Stimme.
    »Ruhe! Ich versuche gerade, die besten Worte zu finden,
    mein Mädchen«, sagte sie fröhlich.
    »Halt!« kreischte ich, als der letzte Augenblick kam – und
    vorbeiging.
    »Lass mal sehen...«, murmelte Havisham nachdenklich, während der Wagen immer noch mit Vollgas dahinbrauste.
    Ich hielt mir beide Hände vor die Augen. Der Wagen war zu
    schnell, um abzuspringen, und ein Zusammenprall schien
    unvermeidlich. Ich packte die Bordwand des Fahrzeugs und
    spannte sämtliche Muskeln, als Miss Havisham uns mitsamt
    dem zwei Tonnen schweren Automobil über die Grenzen der
    Fiktion in die Außenwelt, meine Welt, trug.

    Ich öffnete die Augen. Miss Havisham versuchte, eine Straßenkarte zu lesen, während der Higham Special mitten auf der
    Straße dahinjagte. Ich griff ins Lenkrad, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, aber das kleine Milchwägelchen, das uns
    entgegenkam, landete trotzdem in einer Hecke.
    »Die M4 werd' ich nicht nehmen«, sagte Miss Havisham und
    sah sich um, »da werden wir gleich erwischt, wenn der GattungsRat Wind von der Sache bekommt. Wir sollten die A419
    nehmen. Sind wir irgendwo in der Nähe davon?«
    Ich wusste sofort, wo wir waren. Unmittelbar nördlich von
    Swindon, in der Nähe einer kleinen Stadt namens Highworth.
    »Fahren Sie geradeaus bis zum Kreisel und dann die Anhöhe
    hoch in die Stadt«, sagte ich. »Aber denken Sie bitte daran: Der
    Kreisverkehr hat Vorfahrt!«
    Aber es war schon zu spät. Miss Havisham war fest überzeugt, dass sie immer recht hatte. Der erste Wagen stoppte noch
    rechtzeitig, aber der zweite hatte weniger Glück – er fuhr krachend auf den ersten auf. Ich hielt mich fest, als Miss Havisham
    die Steigung nach Highworth hinaufraste. Ich wurde auf den
    Sitz gepresst, und während ich so auf zwei Tonnen donnernder
    Materie dahinbrauste, wurde mir plötzlich klar, warum Miss
    Havisham diese Maschinen so liebte – das Gefühl war einfach
    berauschend.
    »Ich hab' den Wagen nur geliehen«, erklärte Miss Havisham.
    »Nächste Woche wird Parry Thomas ihn übernehmen und
    versuchen, einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen.
    Ich habe eine neue Treibstoffmischung versucht. Die A419 ist
    gerade und glatt – da komme ich bestimmt auf hundertachtzig,
    was meinst du?«
    »Beim Jesmond können Sie nach rechts auf die B4019 abbiegen«, sagte ich. »Aber bitte erst, wenn die Ampel grüüüüün
    wird!«
    Der Sattelschlepper verfehlte uns um ungefähr zwölf Zentimeter.
    »Was hast du gesagt ?«
    »Ach, nichts.«
    »Weißt du, Thursday, du solltest dich wirklich locker machen und lernen, das Leben ein bisschen mehr zu genießen – du
    bist eine richtige Spielverderberin, manchmal.«
    Ich schwieg.
    »Du brauchst gar nicht zu schmollen«, sagte Miss Havisham.
    »Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann ist das ein muffiger
    Lehrling.«
    Wir donnerten die Straße herunter und wurden mehr als
    einmal fast aus der Kurve getragen, bis wir völlig überraschend
    doch noch an die Straße zwischen Swindon und Cirencester
    kamen. Rechtsabbiegen war streng verboten, aber wir machten
    es trotzdem, was zorniges Hupen bei anderen Verkehrsteilnehmern und

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