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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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hinauf in die Halle, wo uns der höchst
    betretene Protokollführer entgegenkam. Kopfschüttelnd las er
    die Forderungsliste, die Humpty-Dumpty ihm in die Hände
    gedrückt hatte.
    »Diese Mündlis werden jeden Tag unverschämter«, stöhnte
    er. »Morgen wollen Sie einen 48-stündigen Warnstreik beginnen.«
    »Und was hätte das für Folgen?« fragte ich.
    »Ist das nicht offensichtlich?« sagte der Protokollführer. »Das
    heißt, niemand kann Kinderreime aufsagen, und im Außenland
    denken die Leute, sie hätten ein schlechtes Gedächtnis. Ansonsten dürfte die Wirkung gering sein. Wo Kinderreime aufgesagt
    werden, ist meist auch ein Buch mit Geschichten zur Hand.«
    »Aha«, sagte ich.
    »Das Problem besteht darin«, sagte der Protokollführer und
    wischte sich den Schweiß von der Stirn, »wenn wir den Leuten
    aus den Kinderreimen nachgeben, wollen bald sämtliche Mündlis neue Verträge. Demnächst stehen dann auch die Witzfiguren
    hier vor der Tür und machen Randale. Manchmal bin ich ganz
    froh, dass ich bald pensioniert werde. Dann können andere den
    Job machen. Leute wie Sie, Commander Bradshaw!«
    »Ich nicht«, sagte der Mann im Safari-Anzug. »Ich würde
    nicht noch einmal Protokollführer werden, und wenn Sie mir
    alle F's in Fischers Fritze fischt frische Fische zweimal dafür
    gäben.«
    Der Protokollführer lachte, und wir betraten den Ballsaal von
    Norland Park.
    »Haben Sie es schon gehört?« fragte ein junger Mann, der
    mit großer Dringlichkeit an uns herantrat. »Der Herzkönigin
    musste ein Bein amputiert werden. Eine schwere Thrombose,
    hat mir der Doktor gesagt.«
    »Wirklich?« sagte ich. »Wann ist das passiert?«
    »Letzte Woche«, sagte er und senkte die Stimme. »Und der
    Protokollführer hat sich vergiftet.«
    »Ach, wirklich«, sagte ich. »Wir haben doch gerade noch mit
    ihm gesprochen.«
    »Oh«, sagte der junge Mann. »Ich meine natürlich, Perkins
    hat sich vergiftet.«
    Jetzt trat Miss Havisham zu uns heran. »Billy! Jetzt reicht es!«
    sagte sie scharf. »Zisch ab, ehe ich dir die Ohren lang ziehe!«
    Der junge Mann fiel ein bisschen in sich zusammen, riss sich
    dann aber wieder zusammen, behauptete, er müsse noch ein
    bisschen Dialog für Peter Handke schreiben, und marschierte
    davon. Miss Havisham schüttelte traurig den Kopf.
    »Glauben Sie ihm ja kein Wort!« sagte sie. »Und wenn er
    bloß Guten Morgen sagt, schicken Sie ihn zur Hölle. Geht's gut,
    Trafford?«
    »Absolut Spitze! Estella, absolut Spitze! Ich habe Tuesday im
    Brunnen getroffen.«
    »Du hast doch nicht wieder Stücke von deinem Roman zu
    verkaufen versucht?« fragte Miss Havisham spitzbübisch. »Aber
    nein!« sagte Bradshaw in vorgetäuschtem Entsetzen. »Meiner
    Seel! Ist das nicht der Warrington Kater? Ich habe etwas Dringendes mit ihm zu besprechen. Guten Tag, meine Damen!« Er
    tippte höflich an seinen Tropenhelm und entfleuchte.
    »Mein Gott, dieser Bradshaw«, sagte Miss Havisham kopfschüttelnd. »Wenn er noch eine einzige weitere Episode aus
    Bradshaw gegen den Kaiser verkauft, hat der Roman so viele
    Löcher, dass wir ihn als Sieb nehmen können.«
    »Er braucht das Geld, um seiner Frau ein Kleid zu kaufen«,
    sagte ich.
    »Hast du Mrs Bradshaw schon kennen gelernt?«
    »Bisher nicht.«
    »Wenn du sie triffst, dann starr' sie ja nicht an, das ist unhöflich.«
    »Warum –«
    »Komm jetzt! Zeit zum Appell.«

    Der ehemalige Ballsaal von Norland Park wurde schon seit
    langem nur noch als Einsatzzentrale für Jurisfiktion benutzt.
    Der Raum war mit Tischen und Aktenschränken gefüllt, und
    auf den meisten Schreibtischen stapelten sich die Papierberge.
    An einer Wand stand ein bescheidener Imbiss, und das versammelte Jurisfiktion-Personal wartete schon auf den Protokollführer.
    Von den etwa dreißig aktiven Agenten waren zehn mit Spezialaufträgen unterwegs, und fünf waren mit der Handlung in
    ihren eigenen Büchern beschäftigt, deshalb waren in der Regel
    nie mehr als fünfzehn gleichzeitig in Norland Park. Vernham
    Deane winkte mir fröhlich zu, als wir eintraten. Er war der
    notorische Schurke und Frauenheld aus dem Squire of High
    Potternews von Daphne Farquitt, aber man sah es ihm wirklich
    nicht an. Er war immer sehr höflich und liebenswürdig zu mir.
    Neben ihm stand Harris Tweed, der mich gestern erst im Geschlachteten Lämmlein vor den diversen Ungeheuern bewahrt
    hatte.
    »Miss Havisham!« rief er und überreichte ihr und mir je einen Umschlag. »Das ist die Belohnung für die

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