03 - Keiner wie Wir
Tina mit Professor Miller über diese vertrackten Ärzte ohne Grenzen gesprochen und der sofort abgewunken.
»Kein weiterer Einsatz nach diesem Erlebnis! Es genügt! Die Verantwortlichen werden nicht verwegen genug sein, um so etwas auch nur ins Gespräch zu bringen. Keine Sorge, Tina. Trotz des Namens gibt es durchaus Grenzen. Und die wurden in eurem Fall bereits weiträumig überschritten.«
Nun, sie war zu argwöhnisch, um dies als gegeben hinzunehmen und hatte sich für alle Eventualitäten schon mal vorsorglich gewappnet.
Denn es genügte wirklich, und zwar für ein gesamtes Dasein.
Tina war entschlossen, alles zu tun, um diesem grauenhaften, Schicksal spielenden Schatten im Hintergrund die Möglichkeit zu rauben, auch nur ein einziges weiteres Mal in ihrem Leben herumzupfuschen.
Ihre Kräfte waren begrenzt – und Daniels auch …
* * *
U nvermutet richtete sie sich auf und betrachtete ihn eingehender.
Besorgt, natürlich, doch auch mit unverkennbarer, bedingungsloser Liebe.
Es schien, als wäre die innerhalb der vergangenen Wochen noch einmal erheblich gewachsen. Inzwischen war Tina entschlossen, wie eine Löwin um ihn zu kämpfen, sollte dies erforderlich werden. Grausam genug, dass sie das nicht bereits viel früher getan hatte.
Alles wäre anders gekommen.
Bisher hatte Daniel seinen Bart nicht entfernt, obwohl sie wusste, dass er ihn nicht mochte. Vermutlich wollte er nicht, dass sie sah wie hager und eingefallen sein Gesicht war.
Er erzählte nichts von seinen Erlebnissen als Geisel dieser afrikanischen Bürgerkriegsrebellen und Tina hütete sich, danach zu fragen. Möglicherweise würde er eines Tages bereit zum Reden sein. Dann, wenn dieser harte Glanz in seinen Augen etwas weicher geworden war, und er nicht mehr ganz so häufig in Gedanken verloren aus dem Fenster blickte, bis sie sich zu ihm setzte und aus seinem Tag-Albtraum rettete.
Es schmerzte, ihm nicht helfen zu können. Doch Tina wusste genau, weshalb er ihr diesen besonderen Teil seines Lebens vorenthielt und damit gleichzeitig das Ausmaß seiner Liebe bewies.
Nein, oh, nein, nicht die geringsten Zweifel hatten überlebt, die Zeit der dummen Spielchen war endgültig vorbei! Jeder Gedanke an die Albernheiten, mit denen sie sich das Leben schwer gemacht hatten, ließ Tina noch nachträglich wüten.
So viel verschenkte Zeit! Wie hatten sie nur so dumm sein können?
Auch sie hatte ihm beileibe nicht alles erzählt, was in seiner Abwesenheit vorgefallen war, und ließ, aus Schaden klug geworden, Jonathan, Edith und alle übrigen Beteiligten bei deren Leben schwören, auch nichts darüber verlauten zu lassen.
Daniel hatte genug durchgemacht.
Sie war entschlossen, alles von ihm fernzuhalten, was ihm womöglich noch mehr Schuldkomplexe eingebracht hätte, als er ohnehin schon meinte, bewältigen zu müssen.
* * *
B ereits in der kommenden Woche sollte die Hochzeit stattfinden.
Im engsten Kreis natürlich, keiner der beiden hätte es anders gewollt. Ihnen ging es nicht um die Feier oder die Zeremonie, sondern um das Ergebnis. Weder Daniel noch Tina konnte es schnell genug gehen. Als befürchteten beide, abermals alles zu verlieren, wenn sie ihre Liebe nicht endlich besiegelten.
Sie fühlten sich gehetzt, von irgendwem gejagt, und möglicherweise verhielt es sich ja auch genauso. Die Zeit trieb sie unaufhörlich vor sich her, schien neuerdings sogar eine Treibjagd auf sie zu veranstalten.
Ein Leben war nun einmal begrenzt.
Sie hatten bereits zu viel davon verschenkt, um auch nur eine weitere Sekunde unüberlegt und nicht optimal ausgenutzt zu vergeuden.
* * *
u viel verschenkte Zeit ...
Unaufhaltsam wanderten Tinas Gedanken wie so häufig zu der unendlich langen Schwangerschaft zurück.
Das ewige Liegen, das Nicht-Aufstehen-Dürfen, die Ängste und die Panik, wenn der Kontraktionsschreiber wieder Kurven anzeigte, die gar nicht da sein durften.
Die scheußlichen Nebenwirkungen der Wehenhemmer – monatelang hatte sie keinen Stift halten können, weil ihre Hände so arg zitterten. Das ständige Herzrasen, die Schweißausbrüche und diese verdammte Angst! , möglicherweise am Ende zu versagen, weil ihr Herz vor der chemischen Invasion kapitulierte.
Und über allem ragte der ewige Kampf, sich unter keinen Umständen ihrer unendlichen Trauer hinzugeben.
Zu allem Überfluss war da auch noch Jonathans ewig besorgtes Gesicht gewesen. Und wenn er sich noch so viel Mühe gab, er konnte sich nicht gut genug verstellen, um seine
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