03 - Keiner wie Wir
»Mir war sogar bekannt, was du trinken würdest. Nur der Zeitpunkt blieb offen. Seit Monaten komme ich jeden Abend hierher und warte. Nur auf dich. Kannst du dir das vorstellen?«
Vage schüttelte sie den Kopf.
Sein Lächeln verblasste, übrig blieb ein Mund, dessen Winkel um eine Winzigkeit nach oben wiesen. Er lehnte sich vor und erneut traten die Lippen ihre Reise über Tinas Wange an, schienen ihre Haut in Flammen zu setzen, bis er ihr inzwischen auch ziemlich glühendes Ohr erreichte.
»Womit du bedeutend klüger bist, als ich. Zwischenzeitlich wollte ich mich in ärztliche Behandlung begeben. Allerdings bin ich nicht sicher, ob wegen des Verdachts auf Wahnsinn oder aus ungestillter, grauenvoller Sehnsucht. Auch die kann zum Verlust der mentalen Gesundheit führen – ich weiß es. Jetzt … endlich bist du da ... Und nun ...« Mit einem tiefen Seufzen lehnte er sich zurück, die Augen blitzten. »Nun scheint es an Wahnsinn zu grenzen, dass ich dich beinahe verpasst habe, weil ich mich eine Zeit lang weigerte, die unmissverständlichen Zeichen anzuerkennen . Was hätte ich verloren!«
Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, nahm er sein Glas, Tina ihres. Das Lächeln wurde noch etwas mysteriöser, während ein leises, melodisches Klirren ertönte. Flüchtig hatte er sein Glas gegen ihres getippt. »Auf uns«, verkündete er ernst. »... dies läutet den Beginn einer neuen Ära ein.«
Oh, all das hätte so verdammt albern klingen müssen, doch das tat es nicht! Seine Vorstellung wirkte so echt, dass Tina für keine Sekunde am Wahrheitsgehalt zweifelte.
Dieser Mann beherrschte sein Fach, soviel war sicher.
Nachdem Daniel seinen Whiskey geleert hatte, nahm er ihre Hand und zog sie in die Mitte des eher kleinen Raumes, was nicht länger von Bedeutung war.
Nach wie vor stellte sein Lächeln im Grunde keines dar, eher eine Ahnung und war trotzdem Ausdruck höchster Zufriedenheit. Er sah sie an, als wäre sie das faszinierendste Wesen, dem er je begegnet war, und als wäre er tatsächlich einmal um die Welt gereist, nur für diesen einen Blick. Auch das inszenierte Daniel so glaubwürdig, dass Tina erneut akute Atemschwierigkeiten bekam. Von ihrem albernen Herzen wollte sie gar nicht erst sprechen.
Im Anschluss an die nächste, eingehende Musterung zog er sie endlich an sich.
Erleichtert atmete sie auf, unter diesem sezierenden Starren hatte sie nämlich zunehmend gefürchtet, er würde auf irgendein mieses Detail stoßen, wegen dem er sich am Ende gegen sie entschied.
Möglichkeiten waren ja ausreichend vorhanden.
Zu hohe Stirn, zu kleine Nase, zu schmale Lippen … Schön würde Tina niemals sein, damit hatte sie sich bereits vor Ewigkeiten abgefunden.
Mittlerweile steckte sie derart tief in diesem Spiel, dass ihr erst einige Stunden später aufging, wie dämlich ihre Angst gewesen war.
Den momentan fühlte sich das alles verdammt echt an – und weil er sie nicht zurückwies, fühlte Tina sich nicht grundlos wie die Siegerin dieses Abends.
Und das in zunehmendem Maße.
Seine Bewegungen waren kaum wahrnehmbar, hatten bestimmt nichts mit einem üblichen Tanz gemein, außerdem wurde sie schon wieder fixiert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Tina angenommen, kein Mann würde eine derartige Gelegenheit verstreichen lassen, ohne wenigstens einen flüchtigen Griff auf ihren Hintern zu riskieren. Daniel ganz sicher eingeschlossen, der ließ ja nie etwas anbrennen.
Anscheinend hatte er die Taktik gewechselt, denn er dachte nicht im Traum daran. Eine Hand lag konstant auf ihrem Rücken, mit der anderen hielt er ihre rechte zwischen ihnen. Als wollte er verhindern, dass sie sich zu nahekamen.
Tina wusste es besser, kannte den Grund dieser besonderen Positur. Unzählige einschlägige Bücher, Filme, ja, selbst die grauenvollen schnulzigen Lovesongs konnten nicht irren. Obwohl sie denen vor mehr als einem Jahrzehnt auf ewig abgeschworen hatte. Die Botschaften fielen für ihren Geschmack ein wenig zu realitätsfremd aus.
Daniel – der Unverbesserliche - führte derzeit eine Zusammenfassung all der Songs, Romane, Gedichte und Movies auf, die von der holden Liebe berichten. Und dies, ohne dass die Geschichte lächerlich wirkte.
Nur mit ihren Händen zwischen ihnen konnte er die Augen seiner Herzensdame (nicht einmal das klang derzeit in Tinas Ohren unglaubwürdig) fixieren. Das tat er nämlich immer noch, und so langsam befand Tina sich in ernsthaften Schwierigkeiten. Nie hätte sie gedacht, dass so etwas einmal
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