03 - Keiner wie Wir
zur Seite geneigtem Kopf für eine lange, lange Minute. Einschließlich dieses verdammten Lächelns, mit dem er sie schon immer auf ihre rosarote Wolke getrieben hatte.
Auch Daniel trug inzwischen andere Kleidung.
Wie üblich hielt er es leger – das machte seine besondere Eleganz aus.
Kein Zufall! Er wusste, was ihm am besten stand. Zum weißen, am Hals offenstehendem Hemd, dessen Ärmel zur Hälfte hochgekrempelt waren, trug er eine schwarze, schlichte Hose und gleichfarbige Schuhe. Das dunkle, volle Haar wirkte in seiner nicht vorhandenen Perfektion, wie frisch vom Starfriseur in Fasson gebracht. Dabei wusste Tina, dass er nie viel mehr tat, als einen Kamm zu benutzen. Nur ihm gelang es, egal zu welchem Anlass – mit Ausnahme kurz nach dem Aufstehen – auszusehen, als hätte er sich eigens für die vorherrschende Situation hergerichtet. In all den Jahren hatte Tina so etwas nie wieder bei einem Mann gesehen.
Kannte Frau ihn und seine Tricks nicht, ging sie zweifelsohne davon aus, er hätte diesen Aufwand exklusiv für sie betrieben.
Das Geheimnis seines Erfolges.
Tina wusste es besser und konnte sich diesem Effekt trotzdem nicht entziehen. Früher wäre sie nur wenige Minuten später sang- und klanglos in die Knie gegangen, gedanklich zumindest. Womit sie dann wohl den Anschein erweckt hätte, den Boden zu küssen, auf dem er wandelte. Egal, ob nun aus Verlegenheit oder weil sie diesem nicht fehlzudeutenden, forschenden Blick nicht länger gewachsen war.
Heute jedoch gehörte das Präsentieren zu ihrem Alltag. Vor allem wusste sie, dass sie gut aussah. Welten trennten Tina von dem kleinen, dummen Mädchen, das damals in seiner Dämlichkeit nicht einmal erkannte, wenn ein Mann an ihm interessiert war.
Es änderte alles – und trotzdem nichts.
Mit scheinbarer Ruhe stand sie in der Tür und erwiderte seinen Blick. Was er hier zu schaffen versuchte, war ihr längst aufgegangen.
Und obwohl Tina – die absolut Nicht-Verträumte – Derartiges tatsächlich noch nie getan hatte, gelang es ihr problemlos, die Realität beiseitezuschieben.
Plötzlich war sie davon überzeugt, diesen Mann nie zuvor gesehen zu haben. Ein Fremder, den sie zufällig in einer x-beliebigen Bar getroffen hatte. Und hätte ihr Herz nicht bereits in doppelter Geschwindigkeit gearbeitet, und zwar zu einem großen Teil für ihn, wäre es spätestens jetzt hoffnungslos verloren gewesen.
Er war ein Traum!
Arroganter, attraktiver, auch geheimnisvoller und mysteriöser, als er, ging möglicherweise nicht. Allein sein Blick genügte, damit ihr abwechselnd heiß und kalt wurde.
Beinahe wie von selbst nahm die Illusion immer mehr Gestalt an, bis Tina glaubte , was sie sich einbildete. Davon überzeugt, dass es sich bei Daniel ebenso verhielt. Sie sah sogar die begehrlichen Blicke der anderen Frauen in jenem Club, der nur in ihrer Vorstellung existierte. Vorsichtshalber sandte sie denen eine warnende Botschaft.
Hände weg, Ladys!
* * *
N icht nur Tina spielte perfekt, Daniel zog nach.
Denn auch er befand sich längst nicht mehr in seinem modernen, langweiligen Wohnzimmer. Für ihn gestaltete sich diese Übung vergleichsweise einfach, denn in Vorbereitung und Durchführung eines derartigen Abends gehörte die Illusion zwangsläufig dazu.
Wäre er nicht in der Lage gewesen, sich einzureden, was in Wahrheit nicht existierte, zur Not mit Unterstützung von jeder Menge Alkohol, hätte es sich so manches Mal verdammt schwierig gestaltet, einen annähernd akzeptablen Fang für die Nacht zu machen.
Schöntrinken inklusive. Ja, auch er hatte sich des Öfteren dieser billigen Technik bedient.
Nun ja, das war heute mit Sicherheit nicht erforderlich.
Oh nein … Trotz der äußeren Parallelen gelang es ihm nicht, sich an einen einzigen Abend zu erinnern, der mit diesem auch nur annähernd vergleichbar gewesen wäre.
Vielleicht, weil die Illusion noch niemals so wahr gewesen war …
* * *
it funkelnden Augen lehnte Daniel neben dem Fenster, die Arme locker verschränkt.
Während er den Blick für keine Sekunde von Tina nahm, teilten sich seine Lippen in Zeitlupentempo. Und als er sich dann völlig unvermittelt in Bewegung setzte, konnte sie leider nicht verhindern, dass sich ihre Augen weiteten – um den winzigsten Bruchteil, aber immerhin.
Der erste Patzer. Verdammt!
Sehr viel Zeit, sich zu ärgern blieb ihr nicht, denn einen Herzschlag darauf war sie wie gebannt.
Wie oft hatte sie ihn bereits beobachtet, besonders, wenn er sich auf
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