03 - Keiner wie Wir
seiner abendlichen Suche nach einer Frau befand. Doch nie zuvor hatte seine Eleganz so sprichwörtlich gewirkt. Beiläufig, nicht annähernd gekünstelt, ohne den Hauch von Unsicherheit. Dieser Mann fühlte sich wohl in seinem Körper und war eins mit ihm. Er wusste, wie er die Arme zu halten hatte, ohne dass sie deplatziert wirkten, die Bewegungen fielen weder zu ausufernd noch zu steif aus, sondern verliehen seiner Gestalt den exakt beiläufigen Schwung. Den Kopf hielt er stolz erhoben, obwohl er Tina nicht aus den Augen ließ. Dabei lief er lautlos, kein Schritt war akustisch wahrnehmbar, wie ein Raubtier auf seinem legendären Beutezug. Arrogant, sich seines Sieges so gewiss, dass nichts und niemand auf dieser Welt wagen würden, sich ihm in den Weg zu stellen.
Womit er zu jenen auserwählten, beneidenswerten Geschöpfen gehörte, deren Aristokratie mit jeder Geste und Bewegung sichtbar wurde. Sein schmales Lächeln wirkte rätselhaft, alles an ihm zeugte von grenzenlosem, unwiderstehlichem Selbstbewusstsein.
Doch bei keinem der vielen Mädchen, die er in Tinas Beisein für eine Nacht verpflichtet hatte, war sein Blick derart fasziniert gewesen. Auch nicht bei dieser widerlichen, anmaßenden Jane-Schlampe.
Es war nicht das Gleiche!
Tina musste es wissen, denn wie ein ewiger, unverbesserlicher Masochist, hatte sie ihn bei seinen allabendlichen Touren nie aus den Augen gelassen. Problematisch erwies sich nur, dass ihr unter diesem forschenden Fixieren zunehmend das Atmen schwerfiel. Mehrfach drohte sie, es völlig zu vergessen, zu gefangen in jenem Bann, in den nur er sie ziehen konnte.
Die heutige, erwachsene Tina hielt sich dennoch gut genug unter Kontrolle, um ihm scheinbar gleichgültig entgegenzublicken. Wenigstens so viel Würde bewahrte sie sich, wofür sie übrigens außerordentlich dankbar war.
Daniel blieb erst stehen, als es nur noch wenige Zentimeter gab, die sie trennten. Er neigte den Kopf, seine Lippen streiften ihre Wange und wanderten weiter, bis sie ihr Ohr fanden. Und dann ertönte dieses unverwechselbare dunkle Wispern. »Du hast lange auf dich warten lassen ...«
»Ist das so?« Wow! Es klang nicht einmal belegt oder erstickt und das ohne Atemluft in den Lungen.
»Oh ja ... Ich hatte die Hoffnung bereits aufgegeben.« Seine Lippen verschwanden, womit Tina wenigstens vor dem Erstickungstod bewahrt wurde. Und als sie ihn ansah, lächelte er auf diese besondere Weise, die nur er zustande brachte.
Jedenfalls war Tina davon überzeugt. Für jede andere stellte es möglicherweise nur ein simples Lächeln dar, das leichte Heben seiner Mundwinkel, nichts, was man sonderlich wertschätzen musste. Für Tina jedoch bedeutete es eines der außergewöhnlichsten Eigenschaften dieses durch und durch außergewöhnlichen Mannes.
Okay, spätestens jetzt musste auch sie es einsehen: Seinen Götterstatus hatte er bei ihr wohl nie verloren.
Von wegen, erwachsen geworden!
Die personifizierte, männliche – göttliche! - Verführung legte einen Arm um ihre Schultern und führte sie zu den Hockern vor der kleinen Bar.
Als sie nebeneinandersaßen, begutachtete Tina das Glas vor sich, in dem sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Gin befand. Erst, nachdem sie sicher war, nicht zu viel von ihrem Ausnahmezustand zu offenbaren, blickte sie zu Daniel auf. Er hatte neben ihr Platz genommen, ein Ellenbogen berührte die glatte Oberfläche des Miniaturtresens, auf den gespreizten Fingern ruhte seine Schläfe und so betrachtete er sie in tiefer Andacht.
Ohhh, Mist!
Nach einer Weile lachte er verhalten und schüttelte den Kopf. »Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass es auf diese Art geschehen würde.«
Behutsam und dennoch entschieden, strich Daniel eine Strähne aus ihrer Stirn, als würde die ihm die Aussicht verderben, und schon ging die andächtige Musterung in die nächste Runde.
Kein noch so winziges, belanglos geglaubtes Detail ihres Gesichtes schien ihm zu entgehen, derweil ganz nebenbei abermals diese unverwechselbare Stimme ertönte. »Anscheinend habe ich die Dinge unterschätzt. Offenbar ist unser Weg tatsächlich vorherbestimmt, und wir können ihm nur folgen und hoffen, dass uns auf seinem Verlauf nicht allzu viele Hindernisse und steinige Etappen erwarten.«
Auf mehr als ein mattes Lächeln brachte sie es nicht. Aber immerhin.
»Ich wusste, dass ich dich hier finden würde ...« Er neigte den Kopf zur anderen Seite und bedachte sie wieder mit diesem einzigartigen Lächeln.
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