03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
gerade noch davor beherrschen abzudrücken.
Niemand kam herein. Dennoch stellten sich ihre Nackenhaare auf. Sie nahm einen Hauch von Ozon wahr. Der Regen, der Nebel und die Blätter wirbelten noch immer durch die Luft und begannen, eine trichterförmige Wolke zu bilden. Eine Wolke in der Größe eines Mannes . Eine Wolke, die eine Absicht verfolgte.
»Scheiße«, keuchte Heather.
Caterina drehte sich blitzschnell zur Seite und richtete den Lauf der Browning auf den Wirbel aus Blättern und Nebel.
Eine Stimme ertönte – ohrenbetäubend und lodernd, wie eine Glocke aus Feuer. »Rührt euch nicht.«
Die Worte hallten in Caterinas Bewusstsein wider und brannten alle Gedanken nieder. Gerade als ihr Geist völlig leer zu werden begann und sie drohte, in ein schwarzes Loch zu stürzen, glaubte sie, einen großen Mann mit kurzen weißen Locken an den Schläfen zu sehen. Sie glaubte, weiße Flügel wahrzunehmen, die er hinten gefaltet hatte, und ihn lächeln zu sehen – fröhlich und betörend wie Diamanten, die von sonnendurchfluteten Wassertropfen besprüht wurden.
Sie schoss.
7
IMMER TIEFER
Washington, D. C., FBI-Hauptquartier · 25. März
Die stellvertretende Dienststellenleiterin des FBI , Monica Rutgers, lief den Gang zu ihrem Büro entlang. Er war mit beigem Teppichboden ausgelegt. Sie hörte, wie ihre Nylons aneinanderrieben, während ihr Puls das Blut durch ihre Adern pumpte. Etwas war auf dem Grundstück von Wells und Lyons schrecklich schiefgelaufen.
Sheridan war es nicht nur nicht gelungen, Prejean und Lyons zu töten, sondern er befand sich nun auch noch in den Händen der Schattenabteilung.
Noch schlimmer war allerdings die Tatsache, dass die Schattenabteilung nicht nur wusste, dass sie, Monica, die Anordnungen hinsichtlich Bad Seed einfach ignoriert hatte, sondern dass sie auch eigenständig einen Gegenschlag befohlen und damit das Wohlergehen und das Leben eines Agenten aufs Spiel gesetzt hatte, dem sie vertraute.
Nach Gillespies Anruf zu urteilen befand sich Sheridan in einem kritischen Zustand.
»Wir haben Ihren Agenten Sheridan.«
»Er ist nur meinen Anordnungen gefolgt. Ich bin verantwortlich, nicht er.«
»Ich verstehe, Ma’am. Er wurde verletzt.«
»Ich werde mir den Kopf desjenigen holen, der das veranlasst hat …«
»Ma’am, er wurde in den Oberschenkel geschossen, aber wir waren das nicht. Meine Leute haben ihn so vorgefunden. Er wird natürlich medizinisch behandelt werden, ehe eine Einsatznachbesprechung stattfindet.«
»Eine Einsatznachbesprechung. Verstehe. Kann ich zwei Agenten schicken, damit sie ihn begleiten und an der Nachbesprechung teilnehmen? Sheridan ist ein guter Agent, Gillespie, ein treuer Agent, der es nicht verdient …«
»Nein, das tut er nicht. Aber das hätten Sie bedenken sollen, ehe Sie ihn nach Damascus geschickt haben.«
Nichts zu rütteln an dieser Wahrheit. Sie hatte Sheridan in den tiefen, dunklen Wald geschickt, und sie hatte vor, ihn auch wieder nach Hause zu führen. Was in Gottes Namen war schiefgelaufen? Mit dem einfachen, schmutzigen Plan, einen psychopathischen Blutsauger und eine abtrünnige Agentin umbringen zu lassen, und zwar ganz inoffiziell? Wo sollte sie beginnen?
Sheridan war ein Kriegsgefangener. Ein Soldat, der seinen Befehlen gefolgt war, seine Mission aber nicht zu Ende gebracht hatte.
Wann waren das FBI und die Schattenabteilung nur zu zwei gegnerischen Parteien geworden?
Sie kannte die Antwort: Sie waren nie etwas anderes gewesen.
Ihr Assistent Ray Ellis blickte mit einem Headset am Ohr von seinem Bildschirm auf, als sie eintrat. Seine Finger hielten über dem Keyboard inne. In seinem jugendlichen Gesicht spiegelte sich Erstaunen. Zum Teufel – jugendlich! Er war jung, erst achtundzwanzig. Im Grunde noch ein Kind. Allerdings ein effizientes, kompetentes Kind, wenn sie ihn nicht gerade unvorbereitet erwischte.
Ellis sprang von seinem Schreibtischchen auf und strich sich mit einer Hand seine Krawatte mit den weinroten Rauten glatt. Rasch nahm er einen Stapel farblich gekennzeichneter Mappen und eilte ihr entgegen.
»Ist etwas bei Ihrem Mittagessen nicht so gelaufen, wie es sollte, Ma’am?«, fragte er. »Ich habe …«
Rutgers hob die Hand. Ellis blieb hastig stehen. Er sah sie aufmerksam aus haselnussbraunen Augen an. Seine Miene wirkte ruhig. »Das ist nicht so wichtig. Sagen Sie alle Termine ab und verbinden Sie mich mit Underwood von der Schattenabteilung.«
»Mit der Leiterin der Abteilung für Spezialaufgaben,
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