03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
Brauen hochzog. »Es sei denn, Sie bevorzugen es, um den heißen Brei herumzureden …«
Rutgers seufzte. Underwood hatte Recht. In jedem Büro und jedem Gang des FBI -Gebäudes hörte jemand mit. Lauschte. Nahm auf.
Dieses Gespräch wäre schon verräterisch genug, ohne dass auch noch ein Missverständnis das ganze Procedere erschwerte. Sie nahm ihren Störsender aus der Schublade und stellte ihn auf den Schreibtisch.
Das Gerät war beinahe so schmal und klein wie ein iPod. Sie schaltete es ein, und sogleich erfüllte ein Surren und Piepsen den Raum, das alle anderen Audioapparate außer Gefecht setzte.
»Ich will meinen Agenten wieder.« Rutgers’ direkte Worte ließen Underwood verblüfft aufblicken.
»Undenkbar. Er wird in eine unserer Einrichtungen geschickt, um dort seinen Einsatz zu erörtern, und Sie befinden sich nun wahrlich in keiner Position, um Forderungen zu stellen.«
»Seien wir doch einmal ehrlich. Sie haben vor, einen Verletzten zu verhören«, sagte Rutgers leise, »und nicht, um mit ihm seinen Einsatz zu erörtern.«
Ein Lächeln huschte über Underwoods Miene und funkelte in ihren Augen wie Sonne auf einer Eisdecke. »Sie haben ihn in die Schusslinie gebracht. Das sind die Folgen Ihres Handelns, und Ihr Agent wird dafür bezahlen müssen.«
Einen Augenblick lang verkrampfte sich Rutgers’ Brust vor Schuldgefühlen. »Es ist unnötig, Sheridan zu verhören. Ich übernehme die volle Verantwortung. Er hat nur meine Befehle ausgeführt.«
»Wie lauteten diese Befehle?«
»Prejean zu ermorden.«
»Auch nachdem Sie die Anweisung hatten, Ihre Leute von Prejean abzuziehen?«
»Weil ich die Anweisung bekam, meine Leute von Prejean abzuziehen.«
Underwood schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. »Wie ein wütender Exehemann bewusst gegen die Regeln verstoßen. Das ist untypisch für Sie.«
»Woher wollen Sie das wissen?«, gab Rutgers zurück. »Keine von uns ist noch dieselbe wie damals, als wir hier anfingen.«
»Wahr.« Underwoods Miene wurde weicher. »Sehr wahr«, flüsterte sie.
Sie sah aus dem Fenster. Rutgers war nicht sicher, ob sie sich überlegte, was sie als Nächstes sagen sollte oder ob sie den Ausblick genoss. Rosa Kirschblüten zitterten auf den Ästen zarter Bäume, die ein später Märzwind erfasst hatte.
»Dante Prejean geht Sie nichts an«, sagte Underwood und richtete den Blick wieder auf Rutgers.
»Er hat einen meiner Männer kaltblütig getötet.«
»Mir scheint es eher, als wäre Prejean nur das Werkzeug gewesen, um diesen Mord auszuführen.« Sie stand auf und strich die Falten aus ihrer Hose. »Ein Senior Agent stirbt. Ein anderer sowie eine hochgelobte Agentin sind für diesen Mord verantwortlich.« Sie sah Rutgers durch ihre Wimpern hindurch an. »Meiner Meinung nach sollten Sie erst einmal vor der eigenen Tür kehren.«
»Nur Prejeans wegen.«
»Wir kümmern uns um ihn«, sagte Underwood. »Sie kümmern sich um Ihre Leute.«
»Das heißt, Prejean wird ein weiterer Schatten in der Schattenabteilung werden? Wie zweckmäßig.« Ein Muskel zuckte in Rutgers’ Kiefer. »Ich verlange, dass Sie Sheridan so schnell wie möglich freilassen und in eine Klinik schaffen.«
»Wenn wir mit ihm fertig sind.« Underwood ging zur Tür.
Rutgers schob ihren Sessel zurück und erhob sich. »Ich habe Ihnen doch schon erklärt, wie sein Auftrag lautete. Es gibt keinen Grund, ihn …«
»O doch.« Underwood blieb stehen und drehte sich um. Sie wirkte nun wieder wie eine warmherzige Großmutter. »Er muss Ihre Aussage bestätigen. Außerdem muss er uns informieren, wohin Lyons, Wallace und Prejean verschwunden sind.«
Panik erfüllte Rutgers wie schwere Kieselsteine. »Verschwunden?«
»Noch etwas, was Sie nicht mehr betrifft«, antwortete Underwood. »Ich hoffe, Sie haben nicht vor, weitere kompetente Agenten für Ihre lächerliche Rache zu opfern.«
»Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen«, lachte Rutgers gequält und bitter. »Wie viele Leute mussten schon sterben, seitdem Bad Seed ins Leben gerufen wurde? Wie viele hat man der Neugier geopfert?«
»Glauben Sie, darum sei es gegangen? Nur um Neugier?« Underwood wandte sich zur Tür und fasste nach der Klinke. »Ich habe übrigens Ihren stellvertretenden Direktor informiert, dass wir alle Verbindungen des FBI zu Bad Seed abgebrochen haben. Bad Seed und alles, was damit zu tun hat, steht nun ausschließlich unter der Leitung der Schattenabteilung.«
Rutgers lief es kalt über den Rücken.
Weitere Kostenlose Bücher