03 - Schatten Krieger
wirbelte es in die tiefsten Winkel seines Hirns. Und dort, im Wrack seines Verstandes, mitten im Toben der wilden Geister, fand er sich selbst mit einem Stachel aus hellem Licht. Er stellte sich vor, er hielte es wie ein gleißendes Schwert in der Hand …
Die Waffe des Geistes.
Die erlöschende Stimme konnte nur Coireg gehören. Es waren seine letzten Worte. Jetzt wusste Calabos, was zu tun war, und mit der Geschwindigkeit, mit der sich die Arena durch die verändernde Stadt bewegte, blieb ihm nur sehr wenig Zeit dafür.
Er musste all diese wahnsinnigen Geister zähmen, den Drang ihres wilden Begehrens brechen, sie seinem Willen unterjochen, und dann hoffen, dass sie ihm irgendwie helfen konnten, gegen den Großen Schatten zu bestehen.
Außerdem bezweifle ich irgendwie, dass er mir die Gunst erweist, sich mit mir auf einen Schwertkampf einzulassen.
Als der Schattenkönig, der sich Byrnak nannte, sich in einen Schwärm von Phantomen auflöste, die sich von seinem Körper losrissen, hätte Corlek Ondene am liebsten einen juchzenden Schrei der Erleichterung ausgestoßen. Doch selbst nachdem das letzte Phantom verschwunden war und vor der strahlenden Wesenheit von Calabos' Schwert floh, musste Ondene um die Kontrolle kämpfen. Er versuchte, mit Sinnen wahrzunehmen, die von dem rücksichtslosen Usurpator Byrnak missbraucht und verzerrt worden waren. Das schimmernde Dunkel des Nachtreichs wirkte wie ein dichtes Chaos aus Schatten. Er lag auf dem harten Lehmboden des Kampfplatzes und stöhnte. Dabei nahm er undeutliche Stimmen in der Nähe wahr. Dann flammte ein zitternder Lichtfunke über ihm auf. Während er ihn beobachtete, wuchs er zu einem blassgrauen Oval an, das tatsächlich aussah wie zwei Hände, die vor ein Gesicht geschlagen wurden. Dann veränderte sich die Erscheinung und wurde zu einer nebelhaften Gestalt. Als sie die Hände sinken ließ, kam das Gesicht eines jungen Mannes dahinter zum Vorschein.
»Corlek«, sagte er. »Du musst dich bewegen, du musst diese Arena verlassen … Sieh, dahinten sind einige Durchgänge …« Die ausgestreckte Hand flackerte leicht.
»Wa… Warum?«, stieß er hervor. Die Worte fühlten sich wie Steine in seiner Kehle an.
»Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen, du und ich, so wie Coireg und Calabos eine bewältigen müssen. Komm jetzt, hoch mit dir! Oder willst du so dem Großen Schatten gegenübertreten?«
Ondene hätte darüber fast gelacht, zwang sich aber stattdessen auf die Knie, wuchtete sich hoch, schwankte zu dem pechschwarzen Kreuzgang und folgte dem fahlen Gespinst durch einen der Bogengänge. Dahinter führte es ihn durch Straßen, die von verzerrten Gebäuden flankiert wurden, deren dunkle und surreale Fassaden bedrohlichen Wahnsinn ausstrahlten. Mehr als einmal rief er die bleiche Gestalt an, die voranschwebte, fragte nach ihrem Namen, wollte wissen, wohin sie ihn führte; er verlangte es zu wissen und fluchte, weil sie nicht antwortete, stolperte dabei aber weiter hinter ihr her, weil er die Alternative noch mehr fürchtete. Endlich, nach einer Vielzahl von lauernden Straßen, einem Gewirr aus geisterhaften Schluchten, die sich zu einem endlosen Labyrinth flochten, trat Ondene aus einem hohen Torbogen und fand seinen geisterhaften Begleiter in einer Kammer wieder, die mit starren, geometrischen Reliefs geschmückt war. Allerdings hatte jede Linie die Form einer Kette.
»Sehr gut, wie du so rasch nach solchen Erlebnissen wieder Kontrolle über deinen Körper gewonnen hast«, erklärte die Erscheinung.
»Und, willst du mir jetzt endlich sagen, wer du bist?«, knirschte Ondene.
»Das weißt du doch längst«, bekam er zur Antwort. »Auf der Spitze der Felsnadel in Nydratha, mitten in dem Ewigen Sturm, hat die Schlummernde Gottheit tief in dich hineingeblickt und all deine Gedanken überprüft sowie die möglichen Fäden deines Schicksals bloßgelegt. Ich nahm mir ebenfalls diese Freiheit.« Ondene bemühte sich, das zu verstehen. »Als ich in den düsteren Ketten des Schattenkönigs lag, fühlte ich einen Funken in mir, eine kleine Flamme im Dunkeln. Warst du das?«
»Das Band, das dich an mich bindet, war schwach genug, damit der Schattenkönig es übersah, und dennoch stark genug, um seine willkürlichen Brutalitäten zu überstehen. Folglich bin ich hier.«
»Und wer bist du nun?«
Der geisterhafte Junge lächelte schwach und zuckte mit den Schultern. »Du kannst mich Tauric nennen, obwohl dieser Name für mich dasselbe ist wie der Schössling für einen
Weitere Kostenlose Bücher