03 - Schatten Krieger
aus seinem Hals, eine dunkle, undurchsichtige Masse, die sich aus dem Kettenpanzer wand. Byrnaks Augen verdrehten sich, bis man nur noch das Weiße des Augapfels sah. Ein zweites Phantom riss sich aus ihm los, dann ein drittes und viertes … Plötzlich stand Culri neben Calabos und zog ihn am Arm.
»Calabos, durchbohre mich mit dem Schwert…«
»Was? Hast du den Verstand verloren?«
»Rasch, verdammt!«, schrie der alte Mann. »Du musst mich nicht töten, es reicht, wenn du meine Haut ritzt…« Wütend schüttelte Calabos ihn ab. »Lass mich in Ruhe …«
Im nächsten Moment schrie Culri vor Angst und starrte etwas an, das sich offenkundig hinter Calabos befand. Der wirbelte herum und sah einen ganzen Schwärm von Phantomen auf sich zufliegen. Er wich panisch zurück und schlug wie wild mit dem Schwert der Vereinten Mächte auf sie ein. Doch obwohl sie verletzt waren, drängten sie weiter …
Er wurde von einem Wirbel grauer Formen umringt, die eine nach der anderen in seine Haut eindrangen. Er empfand seinen Körper nicht mehr als Muskeln, Knochen und Haut, sondern eher als eine hohle Form, die von dem Eindringen jedes Angreifers erschüttert wurde, und in dem ein immer habgierigerer Chor sang, der seine eigenen Entsetzensschreie mehr und mehr erstickte. Schließlich drang das letzte Phantom in sein unwilliges Fleisch ein. Er sank ausgestreckt rücklings auf den Boden des Kampfplatzes und stützte sich auf einen Ellbogen, während er mit der anderen Hand sein Schwert umklammerte. Es herrschte Todesstille. Selbst die lautlosen, unruhigen Zuschauer waren verschwunden. Nur Corlek Ondene lag stöhnend etwas abseits auf dem Rücken, und Culri starrte ihn furchtsam aus dem Kreuzgang an.
In Calabos herrschte Chaos, ein tosender Tumult aus Stimmen. Er versuchte sich diese groteske Invasion als Monster vorzustellen, die in einem Orkan auf hoher See miteinander rangen, oder als Jäger mit gewaltigen Fängen, die über einer Wüste fochten, oder als Feuerwesen, die in einer Kaverne aus schwarzem Eis kämpften. Hilflos auf dem Rücken ausgestreckt, wurde er sich plötzlich bewusst, dass Culri auf Händen und Knien zu ihm kroch. Von Ondene fehlte jede Spur. Kurz darauf war der Alte ihm nah genug, um ihn an der Schulter berühren zu können.
»Benutz das Schwert, Calabos!«Er hatte Tränen in den Augen.
»Ich könnte es nicht… selbst wenn ich es wollte«, stieß dieser hervor.
»Du musst es irgendwie schaffen!« Culri sah über seine Schulter. »ER holt uns zu sich!«
Calabos bemerkte, dass hinter der Arena die schimmernden Gebäude der Traumhöfe des Großen Schatten an beiden Seiten vorüberglitten, während die Arena sich stetig auf das gewaltige Podest mit dem Schwertthron zubewegte. Sah er da eine dunkle Gestalt auf dem Thron, die mit einem Finger winkte …? Waren das Fantasien, oder erblickte er es wirklich?
»Du musst mich mit dem Schwert durchbohren, Calabos«, wiederholte Culri. »Ich hatte einmal einen Bruder, weißt du, einen mächtigen Krieger, den es überrascht hätte zu erfahren, dass ich meiner Pflicht treu geblieben bin, dreieinhalbtausend Jahre lang, meiner Pflicht der Schlummernden Gottheit gegenüber …« »Wie kannst du … von der… Schlummernden Gottheit…?« Er brach ab, als eine Ahnung in ihm aufkeimte. Der Gedanke war fast betäubend.
»Ich musste das Ende finden, um zum Anfang zu gelangen«, erwiderte der Alte. »Dann musste ich darauf warten, bis das Ende erneut kam, um dir die Gabe der Schlummernden Gottheit zu übergeben. Finde die Kraft, Calabos, benutze das Schwert.«
»Coireg …« murmelte Calabos beinahe furchtsam.
»Eben der…«
»Ich kann nicht …« In dem Moment drängte sich etwas Schwarzes in seine Gedanken.
Ich werde dir deinen Wunsch erfüllen, Wurm!,
sagte es.
Das Phantom bemächtigte sich Calabos' Körper, dessen Hand das Schwert hob, es in Coiregs Brust rammte und dort umdrehte. Calabos heulte vor Wut und Trauer auf und erkämpfte sich die Kontrolle über seinen Körper zurück. Zu spät. Er sah, wie sein alter Freund neben ihm auf dem festgestampften Lehmboden der Arena starb. Schrecklich geschwächt, konnte er nur langsam seine Hand zu Coiregs ausgestrecktem Arm schieben. Da geschah etwas Merkwürdiges. Etwas Fahles, Undurchdringliches erschien in Coiregs offenen, toten Augen, erhob sich aus ihnen, und ein kleines, langsam um sich selbst kreisendes Gespinst glitt auf Calabos zu. Bevor er reagieren konnte, drang es in seine Augen ein. Wie ein weißer Blitz
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