03 - Schatten Krieger
Baum.«
Ondene starrte ihn ungläubig an. »Und ich habe dich den ganzen Weg von Nydratha mit hierher gebracht?« »Du hast das Band in dir getragen«, verbesserte Tauric ihn. »Genügt das? Uns bleibt nur noch wenig Zeit für das, was getan werden muss. Die Schlacht zwischen Calabos und dem Großen Schatten wird gleich beginnen.« »Und was ist unsere Aufgabe?«
»Wir müssen derweil ein paar Gefangene befreien«, erklärte der geisterhafte Tauric, als er voranging und die geschmückte Kammer verließ. Ondene folgte ihm über einen kurzen, schlichten Gang, an dessen Ende er eine Wand sah, die von Schatten gesprenkelt war. Schließlich trat er aus dem Gang und stand vor dem Weißen Gefängnis.
Ein ungeheurer Wall aus nebligem, frostigen Grau erstreckte sich endlos nach oben, bis sie von den eisigen, schwarzen Höhen des Nachtreichs verschluckt wurde. Nach rechts stieß sie an die Mauer, welche die Traumhöfe von den Klippen trennte, und nach links ragte sie weit über das abschüssige, mit Stufen versehene Thronpodest hinaus. Überall auf der tödlichen, transparenten Oberfläche des Walls sah man Spuren von zahllosen Gefangenen, seien es herausragende, gefrorene Gliedmaßen und Köpfe, oder Gesichter, die mit aufgerissenen Augen unter der Oberfläche verschwammen, oder die undeutlichen Gestalten derer, die tiefer darin eingeschlossen waren.
Ondene näherte sich der Wand fasziniert und gleichzeitig eingeschüchtert, während er die Personen betrachtete, die darin gefangen waren. Hier sah er einen bärtigen Mann um die fünfzig, der ein Buch an die Brust gepresst hielt, dort einen jungen Mann in der Kluft eines Bauern, der ein zerbrochenes Schwert umklammerte. Er fand eine matronenhafte Mutter, die einen kleinen Jungen mit einem Arm beschützte und den anderen abwehrend ausstreckte. Etwas weiter sah er einen Krieger in abgeschabter Rüstung, der die Fäuste an den Seiten ballte. »Hier treffen sich alle Besiegten«, erklärte der geisterhafte Tauric neben ihm. »Die Mutigen und die Narren, all jene, die versuchten, den Großen Schatten zu stürzen, und die allesamt zum Scheitern verurteilt waren. Orte wie das Nachtreich fußen auf der willkürlichen Ausübung von Macht, und Götter sind die manifestierten Träume der Macht. Also kann an einem solchen Ort nur ein Traum einen Traum besiegen.«
Ondene lachte ironisch. »Du?«
»Das hoffe ich«, sagte Tauric. »Aber da ich als Traum spreche, kann ich das nicht allein.«
Ondene streckte die Hand aus, um die Wand des Weißen Gefängnisses zu berühren, riss sie jedoch hastig fort, als die eisige Kälte in seine Haut biss.
»Wie könnten wir sie daraus befreien?«
Tauric schwebte näher heran. »Indem wir sie aus dem Traum aufwecken.« Mit diesen Worten hob er seine Hand und tippte Ondene leicht auf die Schulter.
Eine eisige Kälte durchzuckte ihn, und er taumelte überrascht vor, streckte unwillkürlich die Hand aus und … rang nach Luft, als sie ungehindert durch die leicht transparente Oberfläche drang.
»Tritt ein«, sagte Tauric, »ich werde dich durch dieses eisige Gefängnis führen, aber sei bereit zum Kampf. Der Feind wartet im Herzen des Gefängnisses auf uns.«
Der fahle Tauric schwebte ruhig in die graue Wand hinein, und nach kurzem Zögern folgte ihm Ondene. Er schloss die Augen, bevor sein Gesicht auf die milchige Oberfläche traf …
Als er sie wieder aufschlug, trieb er zwischen den zahllosen Gefangenen dahin. Er schaute hinauf und hinunter und sah Hunderte von ihnen, die in der nebligen Düsternis verschwanden. Tauric war über ihm. Er bedeutete ihm mit einem Winken, ihm zu folgen. Also blickte Ondene in Taurics Richtung und schwebte langsam hinauf. Zusammen glitten sie zwischen den Gefangenen hindurch. Dabei berührte Tauric den einen oder anderen mit seinen geisterhaften Fingern an der Stirn oder tippte ihm auf die Schulter. Ausdruckslose Augen füllten sich mit Gefühlen, Köpfe drehten sich, und in Gliedmaßen kehrte vorsichtig Leben zurück. Als Ondene über die Schulter blickte, sah er einen ganzen Zug von ihnen, der ihnen folgte.
Schon bald tauchte ein langer, heller Streifen in der Dämmerung auf, und einige Momente später trat Ondene in einen glänzenden Tunnel, der von winzigen Lampen beleuchtet wurde. Ihr silbernes Strahlen wurde von allen Oberflächen reflektiert. Das andere Ende des Tunnels mündete in einer Art Kammer, in der es grün leuchtete. Als er darauf deutete, nickte Tauric.
»Du wirst Kraft und Mut für das brauchen,
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