03 - Sinnliche Versuchung
kommen sehen. Das Verbrechen der
armen Frau bestand nur darin, dass sie ihren Mann und diese Ratte zufällig
belauscht hat«, sagte Dane grimmig. »Sie wollte nur verhindern, dass ihr Mann
wieder ins Gefängnis zurückmusste. Und dieser Schuft hatte trotzdem die Stirn,
seinen Plan zu verfolgen.«
»Unverschämt. Ja,
der Täter ist unverschämt.« Phillip schwieg eine Weile, dann sah er seinen
Freund forschend an. »Und was dich angeht, mein Freund, die Elster hat sich
mittlerweile auch einen furchtbaren Ruf erworben«, bemerkte er ruhig. »Du
solltest einmal hören, was man sich über dich erzählt, Dane. Es könnte bald
der Fall sein, dass die Leute deinen Kopf verlangen.«
»Das kann ich auch
nicht ändern. Eine öffentliche Untersuchung können wir nicht durchführen. Dadurch
würden wir das Gesindel warnen, ganz zu schweigen von den Konsequenzen für das
Innenministerium.« Dane zuckte mit der Schulter und versuchte zu lächeln. »Die
Elster wird reiten, bis dieser Verbrecher gefasst ist.«
Phillip schaute ihn
ernst an. »Das ist kein Spiel, Dane. Was machst du, wenn es zu einer Schießerei
kommt?«
»Dann ist es
ratsam, mich schnell zu ducken!«, erklärte er augenzwinkernd.
Phillip seufzte. »Im
Ernst, was passiert, wenn du gefangen wirst? Dir winkt der Galgen, bevor das Innenministerium
eingreifen kann.«
»Was? Traust du mir
so wenig zu?« Dane schlug mit der Hand auf Phillips Schulter. »Mir ist das
Risiko von Anfang an bekannt, Phillip. Es gibt einen Grund dafür, für dich und
für mich.«
Phillip seufzte.
»Du genießt es, habe ich Recht? Das Abenteuer, die Gefahr?«
Ja, das war einmal.
Aber jetzt ... jetzt war sich Dane nicht mehr so sicher. Er war ein Mann der
Tat. Er saß nicht im Sessel und vertrieb
sich die Zeit. Ihm fehlte Phillips Geduld. Aber die Aufregung befriedigte ihn
nicht mehr wie sonst ... warum? Er wusste es nicht.
Er bedachte Phillip
mit einem unergründlichen Lächeln.
Ein Windzug
zerzauste Phillips hellbraunes Haar. »Weißt du«, sagte er bedächtig, »Für eine
Nacht wäre ich gerne einmal an deiner Stelle.«
»Du? Als
Wegelagerer? Als Abenteurer?«
»Ich gebe zu, ich
beneide dich. Schon seit geraumer Zeit.«
Dane grinste und
zeigte auf sein geschwollenes Auge. »Darum bin ich nicht zu beneiden, lieber
Freund.«
»Trotzdem, ich
glaube, dass mir der Nervenkitzel gefallen würde, die Spannung, die
Ungewissheit, die den Puls beschleunigt, das Blut in Wallung bringt und die
Bereitschaft, sich furchtlos der Gefahr auszusetzen. Langweilig ist das
bestimmt nicht.«
Dane hob die
Brauen. Furchtlos? Ah, wenn er nur wüsste, wie es um ihn bestellt war ... In
Danes Augen war Phillip stets der Stratege, der kühle Kopf mit dem scharfen
Verstand. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass sein Freund sich etwas
anderes wünschen könnte.
»Ist das nicht das
Leben?«, murmelte er. »Die ständige Herausforderung?«
»Mein Leben ist bei
weitem nicht so aufregend wie deines, Dane.«
Dane blickte ihn
fragend an.
»Ah, vielleicht
eines Tages«, sagte Phillip. »Im Augenblick wartet Arbeit auf uns.«
»Sehr richtig«,
stimmte Dane zu und pfiff nach Parzival.
»Ich muss mich auch
auf den Weg machen.« Phillip schnippte ein Insekt von seinem Umhang und sah
dann wieder zu Dane.
»Wann treffen wir
uns wieder?«
»Warten wir eine
Weile ab, wie sich die Dinge entwickeln. Ich melde mich in London bei dir.«
Phillip wartete,
bis sich Dane auf Parzivals Rücken schwang. »Viel Glück!«, sagte Phillip mit
einem feinen Lächeln.
Dane neigte den
Kopf. »Danke«, murmelte er.
Mit einem kurzen
Gruß ritt er in die Nacht hinein.
Meilen entfernt in London
waren die Straßen von Westminster beinahe menschenleer. In einem kleinen
Backsteinhaus begab sich Nigel Roxbury in ein winziges Arbeitszimmer und hob
von der Mitte seines Schreibtischs einen Stapel Papiere auf. In einer Ecke
tickte eine Standuhr.
Er war mit einer
schwarzen abgetragenen Jacke bekleidet. Sein Gesicht war eher unauffällig, bis
auf den schwarzen Flecken, der ein Auge bedeckte. Gerissen, berechnend und unnachgiebig
waren Attribute, die ihm seine Kollegen gaben. Er selbst aber betrachtete sich
als relativ einfachen Menschen. Er strebte nicht nach Reichtum. Weiß Gott, dazu
hatte er nicht den richtigen Beruf. Er hurte nicht herum, spielte nicht und
betrank sich nicht bis zur Bewusstlosigkeit. Stattdessen war er süchtig nach
antiken Dingen, nach anmutiger Schlichtheit und Form.
Er blickte auf die
Uhr. Beinahe Mitternacht. Wo zum
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