03 - Sinnliche Versuchung
gingen ihr durch den Kopf. Wenn er gefasst worden war? Gefangen genommen?
Was, wenn man ihn auf der Stelle aufgehängt hatte? Kein Mensch ahnte, dass sie
sich hier in der Hütte befand.
Diese Vorstellung
nistete sich in ihr ein. Auch wenn sie diesen Schurken verabscheute, wünschte
sie nicht, dass sein Hals in einer Schlinge steckte. Als sie endlich ins Bett
schlüpfte, hinderte sie merkwürdigerweise dieser Gedanke am Einschlafen.
Endlich löschte sie die Kerze neben dem Bett, legte sich zurück und starrte an
die Decke. Maximilian hatte sich unter der Decke verkrochen und wärmte sie an
der Seite. Sie war gerade am Einschlummern, als sie den Schlüssel im Schloss
hörte.
Die Tür flog weit
auf. Ein Hauch kühler, feuchter Nachtluft begleitete sein Eintreten.
Julianna war auf
der Stelle hellwach.
Über seiner
Schulter hing eine Tasche. Sie schien federleicht zu sein, als er sie neben dem
Leinensack abstellte.
Er drehte sich um.
Seine Brauen hoben sich. »Sie sind also noch wach? Hatten Sie einen angenehmen
Tag?«
Julianna warf ihm
einen verächtlichen Blick zu. Ihr neu gewonnener Freund Maximilian hatte sie bereits
verlassen. Bei dem Geräusch des sich drehenden Schlüssels war er aus dem Bett
geschlüpft, sprang auf den Tisch und von dort auf den Rücken seines Herrn. Dann
legte er sich wie ein Pelzkragen um die Schultern. Ihr fiel jetzt ein, dass
sie das beim Aufwachen gesehen und gedacht hatte, sie hätte einen Buckligen
vor sich!
Jetzt beäugten sie
zwei Paar bernsteinfarbener Augen. Er trug seine Arroganz wie einen
Verdienstorden spazieren. Das zeigte sich in der Neigung des Kinns, dem Schwung
der Lippen und in diesem immer so selbstgefälligen Lächeln.
Von Kopf bis Fuß in
Schwarz gekleidet, wirkte er furchterregend. Es kroch ihr kalt den Rücken hinauf.
Es war ihr unerklärlich, wie er jeden Winkel des Raumes mit seiner Anwesenheit
füllte, was weder mit seiner Größe noch seinem Umfang zu tun hatte. Er war
einfach nicht zu übersehen! Aber es war nicht nur das, sondern viel mehr. Wäre
die Hütte hundertmal größer gewesen, es hätte keinen Unterschied gemacht. Er
hatte etwas an sich, das sie innerlich erzittern ließ. Ob es ihr nun passte
oder nicht. Seine Gegenwart verschlang alles. Er wollte, dass sie ihm in die
Augen sah ... nein, er verlangte es!
Er war geradeheraus
und natürlich, ohne die Schnörkel eines Dandys. Sie konnte den Wind in seinem
Haar riechen, die Erde auf seiner Haut. Er sah gut aus - er, der Straßenräuber!
Diese Erkenntnis bestürzte sie und doch spürte sie, dass trotz seiner Wildheit
ein kultivierter Mensch in ihm steckte, der auch in den eleganten Salons der
Gesellschaft zu Hause war. Eine faszinierende und verwirrende Eigenschaft.
Oh, soll ihn doch
der Teufel holen! Was war denn mit ihr los? Der Schlag auf den Hinterkopf hatte
ihr wohl die Sinne verwirrt!
»Teuerste Julianna,
Sie überraschen mich.« Er warf die Maske auf den Tisch, legte den Umhang ab und
hängte ihn über den Haken.
»Teuerster Dane«, flötete sie süß, »wie kommt das?« Wenn er glaubte, sie zum Narren zu
halten, dann hatte er sich getäuscht.
Als er auf sie
zukam, war sie in höchster Alarmbereitschaft.
»Unter diesen
Umständen wäre jede andere Frau hysterisch geworden. Sie aber schicken weder
ein Gebet zum Himmel, noch rufen Sie um Hilfe. Stattdessen scheinen Sie
ziemlich gelassen zu sein.«
Julianna starrte
ihn an. »Wie kommen Sie darauf? Haben Sie mich beobachten lassen?«
Er warf den Kopf in
den Nacken und lachte, als ob sie etwas Witziges gesagt hätte. Es war ein
volles kehliges Lachen, das angenehm gewesen wäre, hätte es nicht ihr gegolten.
»Sie hatten mich
ausdrücklich gewarnt, dass Schreien zwecklos sei«, erinnerte sie ihn.
»Das ist richtig.
Trotzdem. Sie sind so gefasst, dass man meinen könnte, Sie seien daran gewöhnt
...« Er zögerte.
»Was? Denken Sie
etwa, ich wäre schon einmal entführt worden? Wohl kaum. Abgesehen davon, was
nutzt es, unnötige Energie zu verschwenden?«
»Sie sagen es.« Er
lächelte. »Aber dass Sie so schlecht von mir denken, kränkt mich.«
Eine Braue hob sich
fragend.
»Abgesehen davon
...«, sagte er leichthin, »... habe ich noch kein Wort des Dankes gehört.
Schließlich habe ich Sie gerettet.«
Julianna schnaubte
höchst undamenhaft. Wenn sie es sich überlegte, so hatte sie bereits einiges
gesagt, das sich keinesfalls für eine Dame ziemte.
Der Schurke stand
vor ihr, die kräftigen Hände auf die Hüften gestützt und blickte
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