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03 - Tod im Skriptorium

03 - Tod im Skriptorium

Titel: 03 - Tod im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Muman zu, »willst du jetzt das Plädoyer für Muman halten?«
    »Nein«, sagte sie mit lauter Stimme und sah eine Welle des Erstaunens durch das Gericht laufen. »Ich bin hier, um ein Plädoyer für die Wahrheit zu halten.«
    Ein zorniges Gemurmel erhob sich, besonders von den Bänken von Laigin, während Fidelma aufstand und zu der Tribüne vor dem Oberrichter ging. Barrán schien nicht gerade begeistert von ihrer dramatischen Eröffnung.
    »Ich nehme an, du willst damit nicht sagen, daß wir soeben absichtliche Lügen gehört haben?« In seiner Stimme lag eine gefährliche Kälte.
    »Nein«, erwiderte Fidelma ruhig. »Doch wir haben auch nicht die ganze Wahrheit gehört, sondern nur einen so kleinen Teil davon, daß auf der Basis dieser Beweisführung kein sicheres Urteil möglich ist.«
    »Worin besteht die Argumentation deines Gegenplädoyers?«
    »Sie besteht aus zwei Elementen, Barrán. Erstens, der Ehrwürdige Dacán war nicht ehrlich bei der Angabe seiner Vorhaben, als er nach Muman kam. Dieser Mangel an Ehrlichkeit entlastet sowohl den König wie den Abt von ihrer Verantwortung nach dem Gesetz der Gastfreundschaft.«
    Laute der Empörung kamen von den Bänken Laigins, und aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich Abt Noé bleich vor Ärger vorbeugte und sie in kaum beherrschtem Zorn anstarrte.
    »Zweitens«, fuhr Fidelma ungerührt fort, »wenn die Identität des Mörders Dacáns enthüllt wird und es sich herausstellt, daß er nicht der Familie des Königs von Cashel angehört und ihm auch nicht in einem Treueverhältnis untersteht, dann besitzt der Anwalt von Laigin kein Recht, einen Anspruch gegen Cashel zu erheben. Darauf läuft mein Plädoyer hinaus.«
    Forbassach war aufgestanden.
    »Ich erhebe Einspruch gegen dieses Plädoyer. Das erste Argument stellt eine Beleidigung eines mildherzigen und frommen Gelehrten dar. Ein gottesfürchtiger Mann, der sich jetzt nicht mehr wehren kann, wird der Lüge bezichtigt. Das zweite Argument ist eine bloße Behauptung, die durch keinerlei Beweise gestützt wird.«
    Barráns Miene war sehr ernst geworden.
    »Du bist erfahren in der Verhandlungsweise der Gerichte, Schwester Fidelma. Daher gehe ich davon aus, daß du für das, was du sagst, Beweise hast?«
    »Die habe ich. Aber ich muß um deine Nachsicht bitten, weil dies eine lange und komplizierte Geschichte ist und ich etwas Zeit brauche, um sie dem Gericht darzulegen.«
    Sie hielt inne und schaute mit fragendem Blick den Oberrichter an. Barrán gab ihr das Zeichen fortzufahren.
    »Als mein Bruder Colgú mich bat, den Mord an Dacán zu untersuchen, ahnte ich nicht, was für einen langen und gewundenen Pfad ich zu gehen hatte. Bevor ich sein Ende erreichte, war nicht nur Dacán tot, sondern noch viele andere verloren ihr Leben: Cass aus der Leibgarde der Könige von Cashel, den mein Bruder mir zu meinem Schutz mitgegeben hatte, Schwester Eisten, zwei Nonnen, die im Waisenhaus von Molua arbeiteten, Molua selbst und seine Frau und zwanzig unschuldige kleine Kinder. Dazu kommen noch andere Tote in Rae na Scríne, die niemand gezählt hat.«
    Forbassach war aufgesprungen und erhob erneut Einspruch.
    »Wir verhandeln hier über den Mord an Dacán und keinen anderen«, rief er zornig. »Das Heranziehen anderer Todesfälle ist lediglich ein Ablenkungsmanöver, mit dem Fidelma den klaren Anspruch Laigins vernebeln will.«
    Barrán sah den Anwalt Laigins stirnrunzelnd an.
    »Du setzt dich wieder, Forbassach, und du wirst verwarnt. Habe ich nicht die sechzehn Kennzeichen eines schlechten Plädoyers aufgezählt? Warte ab, bis die dálaigh von Cashel ihre Ausführungen beendet hat und bringe dann deine Argumente vor. Ich muß dich darauf hinweisen, daß sie dein Plädoyer nicht ein einziges Mal unterbrochen hat.«
    Forbassach sank verärgert auf seinen Platz zurück.
    »Ich fahre fort«, sagte Fidelma ruhig. »Es war wirklich eine komplizierte Angelegenheit. Ihre Wurzeln reichen Jahrhunderte zurück in den Streit um das Königreich Osraige. In den letzten Jahrhunderten hat Laigin immer wieder gefordert, daß Osraige in seinen Herrschaftsbereich zurückkehren solle, und jedesmal haben die Brehons der fünf Königreiche in den Ratsversammlungen entschieden, daß es bei der einmal be schlossenen Abtretung an Muman bleibt.
    Osraige ist in den letzten zweihundert Jahren von Königen aus dem Stamm der Corco Loígde regiert worden. Dazu kam es, weil der heilige Ciarán von Saighir, dessen Vater aus Osraige und dessen Mutter von den Corco

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