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03 - Tod im Skriptorium

03 - Tod im Skriptorium

Titel: 03 - Tod im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Sie waren überall an den wichtigsten Punkten in der Kirche postiert und die einzigen Bewaffneten, die Zutritt zu der Versammlung hatten. Die Krieger Colgús und Fianamails mußten in ihren Quartieren außerhalb der Mauern der Abtei bleiben.
    Barrán, der Oberrichter, klopfte mit seinem Amtsstab auf den hölzernen Tisch vor sich und gebot Ruhe. Damit war die Versammlung eröffnet.
    Das Stimmengemurmel ebbte langsam ab und machte einer erwartungsvollen Stille Platz.
    »Es sei kund und zu wissen, daß es drei Mittel gibt, die Weisheit aus einem Gerichtshof zu verbannen«, sprach der Oberrichter die rituellen Eröffnungsworte. Seine Stimme war tief und mächtig und füllte den gesamten Kirchenraum aus. Seine hellen Augen funkelten, als er sich drohend umsah. »Das erste Mittel ist ein unkundiger Richter, das zweite ist ein Plädoyer ohne Sinn und Verstand, und das dritte ist ein geschwätziger Gerichtshof.«
    Darauf erhob sich Erzbischof Ultan langsam und erbat mit seiner dünnen, monotonen Stimme Gottes Segen für das Gericht und seine Verhandlung.
    Nachdem Ultan sich wieder gesetzt hatte, rief der Oberrichter die Anwälte beider Seiten auf, sich zu erheben und sich vorzustellen. Als sie das getan hatten, erinnerte er sie an die Verfahrensregeln und an die sechzehn Kennzeichen eines schlechten Plädoyers. Für jeden dieser sechzehn Verstöße konnte ein Anwalt mit einer Geldstrafe von einem séd belegt werden, einer Goldmünze, die dem Wert einer Milchkuh entsprach. Diese Strafe wurde fällig, wenn die Anwälte einander beschimpften, die Zuschauer zur Gewalt anstachelten, sich in Eigenlob ergingen, grobe Worte wählten, den Anordnungen des Gerichts nicht nachkamen oder grundlos das Thema ihres Plädoyers wechselten. Dann erklärte Barrán, daß die Verhandlung beginnen könne.
    »Denkt daran, daß es drei Türen gibt, durch die die Wahrheit Eingang in dieses Gericht finden kann: ein geduldiges Für und Wider in den Plädoyers, eine gesicherte Beweisführung und das Vertrauen auf Zeugen«, riet Barrán den Anwälten dem Brauch gemäß.
    Forbassach trat vor an das cos-na-dála , denn da Laigin Entschädigung für einen Todesfall verlangte, stand ihm das Recht zu, als erster seine Argumente vorzutragen. Er tat es einfach und ohne Theatralik. Der Ehrwürdige Dacán, ein Mann aus Laigin, habe das Gastrecht beim König von Muman genossen, so sagte er, denn dieser habe ihm die Erlaubnis erteilt, sich in seinem Königreich aufzuhalten und in der Abtei Ros Ailithir sowohl zu forschen als auch zu unterrichten. Es liegt in der unmittelbaren Verantwortung des Abts, für die Sicherheit aller zu sorgen, die er in sein Haus aufnimmt.
    Dennoch war Dacán in Ros Ailithir auf die schrecklichste Weise ermordet worden. Der Mörder war nicht entdeckt worden, deshalb trugen der Abt und in letzter Instanz der König von Muman die Verantwortung für das Verbrechen. Der König war für die Sicherheit Dacáns verantwortlich, erstens, weil er Dacán in seinem Königreich willkommen geheißen hatte, und zweitens, weil der Abt sein Verwandter und der König das Oberhaupt der Familie war und damit haftbar für alle Strafen, die über die Familie verhängt wurden. So lautete das Gesetz. Und dieses Gesetz legte genau das Strafmaß fest. Für jeden Todesfall betrug die Strafe sieben cumals , den Gegenwert von einundzwanzig Milchkühen. Das war die grundsätzliche Strafe. Aber wie war es mit dem Sühnepreis für Dacán? Er war ein Vetter des Königs von Laigin. Er war ein Mann des Glaubens, der in allen fünf Königreichen von Éireann für seine Wohltätigkeit und seine Gelehrsamkeit bekannt war.
    Als vor mehreren Jahrhunderten der Großkönig Edirsceál von Muman ermordet worden war, hatten der Oberrichter und seine Ratsversammlung entschieden, der Sühnepreis für Edirsceál bestehe darin, daß das Königreich Osraige an Muman abzutreten sei. Nun verlange Laigin, daß Osraige ihm als Sühnepreis für Dacáns Tod zurückgegeben werde.
    Fidelma saß während Forbassachs Plädoyer mit gesenktem Kopf da. Es enthielt nichts Neues, und er trug seine Worte in einer gemäßigten, leidenschaftslosen und klaren Weise vor, so daß ihm das Gericht mühelos folgen konnte.
    Mit einem Blick selbstzufriedener Genugtuung in Fidelmas Richtung kehrte Forbassach zu seinem Platz zurück. Fidelma sah, wie König Fianamail sich vorbeugte und seinem Anwalt lächelnd und anerkennend auf die Schulter klopfte.
    »Fidelma von Kildare«, wandte sich Barrán den Bänken von

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