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03 - Tod im Skriptorium

03 - Tod im Skriptorium

Titel: 03 - Tod im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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ein Gang, der nach mehreren Windungen zu einer Steintreppe führte, die steil emporstieg.
    Neugierig folgte sie der Treppe bis zu ihrem Ende ungefähr eineinhalb Meter unter einer Felsdecke. Einen Moment glaubte sie sich in einer Sackgasse, doch dann bemerkte sie eine kleine Öffnung, die sechzig Zentimeter breit und einen Meter lang war. Ein schwacher Lichtschein fiel hindurch. Jetzt löschte sie die Kerze wirklich und sah blasses Mondlicht. Vorsichtig lehnte sie sich durch die Öffnung hinaus.
    Vor Überraschung stockte ihr der Atem, als sie erkannte, wo sie war.
    Sie befand sich in einem runden Brunnenschacht. Im Halbdunkel entdeckte sie eiserne Sprossen, die sie leicht erreichen konnte. Ein paar Minuten später kletterte sie über die Brüstung des Brunnens in den vom Mondlicht erhellten Kräutergarten hinter der Abteikirche.
    Eine kleine Weile saß sie auf der runden Steinwand des Brunnens und lächelte zufrieden.
    Nun kannte sie alle wesentlichen Einzelheiten. Jetzt kam es darauf an, sie zu sortieren und richtig zusammenzufügen.
    Doch das hatte Zeit bis morgen, bis zur Ratsversammlung.

K APITEL 19
    Für die große Ratsversammlung des Großkönigs war die Abteikirche selbst in den Dál , den Gerichtshof, verwandelt worden. Das Gebäude wimmelte von Menschen, geistlichen wie weltlichen, die sich durch die Türen hineindrängten. Der Anlaß galt als bedeutungsvoll, denn seit Menschengedenken hatte kein Großkönig mehr eine Ratsversammlung außerhalb seines persönlichen Herrschaftsbereichs Meath abgehalten. Auf einem eigens errichteten Podium vor dem Hochaltar saß der Oberrichter der fünf Königreiche von Éireann. Er war der einzige, der über so viel Einfluß verfügte, daß selbst der Großkönig in den großen Ratsversammlungen erst sprechen durfte, wenn er gesprochen hatte. Fidelma hatte Barrán noch nie gesehen und hätte gern gewußt, was für ein Mensch er war. Barrán hatte helle, furchtlose Augen, ein strengen, schmallippigen Mund und eine vorspringende Nase. Sein Alter war völlig unbestimmt.
    Links neben ihm auf dem Podium saß sein persönlicher ollamh , ein gelehrter Anwalt, den er in juristischen Fragen konsultieren konnte, und dahinter hatten ein Sekretär und sein Assistent ihren Platz, die das Protokoll führten. Rechts vom Oberrichter saß der Großkönig selbst, Sechnassach, Herr von Meath und Großkönig von Irland. Er war ein hagerer Mann in den Dreißigern mit einem finsteren Gesicht und dunklem Haar. Fidelma wußte von ihren Erlebnissen in Tara, daß Sechnassach nicht der strenge, autoritäre Herrscher war, für den man ihn halten konnte. Er war ein nachdenklicher Mensch mit einem trockenen Humor. Sie fragte sich, ob er sich noch erinnerte, daß er ohne ihre Hilfe bei der Aufdeckung des Diebstahls des Kronschwerts vielleicht gar nicht Großkönig geworden wäre. Dann schämte sie sich für diesen Gedanken. Als könnte persönliche Dankbarkeit den Großkönig zu ihren Gunsten beeinflussen.
    Neben dem Großkönig saß Ultan, Erzbischof von Armagh und Oberster Apostel des Glaubens in den fünf Königreichen, ein mürrischer älterer Mann mit wirrem weißem Haar. Er stand im Ruf, die römische Richtung in der Kirche zu unterstützen, und hatte sich wiederholt dafür ausgesprochen, daß das Kirchenrecht das weltliche Recht in den fünf Königreichen ablösen solle.
    Unmittelbar vor dieser imponierenden Reihe von Persönlichkeiten war ein kleines Pult in der Art eines cos-na-dála aufgebaut als eine Rednertribüne, von der aus jeder dálaigh oder Anwalt sein Plädoyer halten sollte.
    Im Querschiff rechts vom Hochaltar waren die Bänke von den Vertretern Laigins besetzt, geführt von ihrem leidenschaftlichen jungen König Fianamail und seinen Ratgebern. Fidelma hatte auch schon den grimmigen, graugesichtigen Abt Noé von Fearna erspäht. Und vorn neben dem König erkannte sie den hageren, blassen Forbassach, der den Anspruch Laigins vortragen würde.
    Fidelmas Bruder Colgú und seine Berater füllten die Bänke im Querschiff links vom Hochaltar. Fidelma als ihr dálaigh saß neben ihrem Bruder und wartete darauf, zum cos-na-dála gerufen zu werden, um ihr Plädoyer für das Königreich von Cashel zu halten.
    Das breite Längsschiff der Kirche war gedrängt voll von Zuschauern aller Art und jeden Standes. Ihre Menge erzeugte trotz der Größe und der Ausmaße des hohen Gebäudes eine stickige, bedrückende Luft. Fidelma fielen einige Krieger des Großkönigs auf, seine fianna oder Leibwache.

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