03 - Tod im Skriptorium
ersuchen, Laigin zu unterstützen und Osraige Fianamail zu übertragen.«
Fidelma dachte nach.
»Wie kann Fianamail so sicher sein, daß er die Verantwortung von Muman für Dacáns Tod beweisen kann? Sein Gesandter Forbassach ist eitel und arrogant, aber er ist ein ollamh bei Gericht. Selbst seine Freundschaft mit dem König von Laigin und sein Stolz als Mann von Laigin würden ihn nicht blind gegenüber dem Gesetz machen. Er muß wissen, daß die Beweise ausreichen, einen solchen Anspruch vor dem Gericht des Großkönigs zu erheben. Worin besteht dieses Beweismaterial?«
Colgú wußte darauf keine Antwort. Er entgegnete: »Fidelma, die Ratsversammlung in Tara tritt in drei Wochen zusammen. Wir haben also nicht viel Zeit, das herauszufinden.«
»Das Gesetz schreibt eine Spanne von einem Monat nach der Entscheidung der Ratsversammlung vor, ehe Fianamail mit einem Heer in Osraige einmarschieren und das Gebiet gewaltsam in Besitz nehmen darf, wenn es nicht friedlich übergeben wird«, erklärte Fidelma.
»Dann bleiben uns also sieben Wochen, bevor Blutvergießen und Krieg in diesem Lande ausbrechen?«
»Vorausgesetzt, daß die Entscheidung zugunsten von Laigin ausfällt«, erwiderte Fidelma. »Hier liegt vieles im dunkeln, Colgú. Falls Fianamail nicht etwas weiß, was wir nicht wissen, sehe ich nicht, weshalb der Großkönig und seine Ratsversammlung ein Urteil gegen Muman fällen sollten.«
Colgú schenkte noch zwei Gläser Wein ein und reichte eines seiner Schwester mit einem trüben Lächeln.
»Das waren genau die Worte unseres Vetters Cathal, bevor ihn das Fieber niederwarf. Aus diesem Grunde bat er mich, nach dir zu schicken. Am Morgen, nach dem der Bote nach Kildare losgeritten war, ergriff ihn das Fieber. Wenn die Ärzte recht behalten, bin ich König, bevor die Woche vergangen ist. Wenn es Krieg gibt, muß ich damit zurechtkommen.«
»Das wäre kein guter Anfang für deine Herrschaft, Bruder«, stimmte ihm Fidelma zu, nippte an ihrem Wein und überdachte den Fall sorgfältig. Dann hob sie den Blick und betrachtete das sorgenvolle Gesicht ihres Bruders. »Gibst du mir den Auftrag, den Tod Dacáns zu untersuchen und dir die entsprechenden Beweise vorzulegen?«
»Und dem Großkönig«, fügte Colgú rasch hinzu. »Du hast die Vollmacht von Muman, diese Untersuchung durchzuführen. Ich bitte dich auch, uns als Anwältin vor der Ratsversammlung des Großkönigs zu vertreten.«
Fidelma schwieg lange.
»Sag mir eines, Bruder: Angenommen, die Resultate meiner Nachforschungen fallen zugunsten des Königs von Laigin aus? Wenn nun die Eóganachta für den Tod Dacáns verantwortlich sind? Wenn der König von Laigin das Recht hat, Osraige als Sühnepreis von Cashel zu verlangen? Wenn all diese unangenehmen Vermutungen durch meine Feststellungen bestätigt werden? Wirst du dich dann dem Urteil des Gesetzes beugen und Laigins Forderung erfüllen?«
Widerstreitende Empfindungen spiegelten sich im Gesicht ihres Bruders, während er sich zu einem Entschluß durchrang.
»Wenn du mich persönlich fragst, Fidelma, würde ich mit ja antworten. Ein König muß sich nach dem geltenden Gesetz richten. Doch ein König muß auch für das Wohl seines Volkes sorgen. Haben wir nicht den alten Spruch: Was stellt das Volk über den König? Das Volk ernennt den König, nicht der König das Volk. Ein König muß dem Willen seines Volkes gehorchen. Also erwarte nicht von mir, daß ich für alle Fürsten und Stammeshäupter dieses Reiches spreche, schon gar nicht für die von Osraige. Ich fürchte, sie werden nicht bereit sein, einen solchen Sühnepreis zu zahlen.«
Fidelma sah ihn fest an.
»Das bedeutet Krieg«, sagte sie leise.
Colgú versuchte grimmig zu lächeln.
»Wir haben noch drei Wochen bis zur Ratsversammlung, Fidelma. Und wie du sagst, noch sieben Wochen bis zum Vollzug des Urteils, wenn die Entscheidung gegen uns fällt. Gehst du nach Ros Ailithir und findest heraus, wer Dacán getötet hat?«
»Darum brauchst du mich nicht erst zu bitten, Colgú. Ich bin schließlich deine Schwester.«
Colgús Schultern sanken erleichtert herab, und er stieß einen leisen, tiefen Seufzer aus.
Fidelma streichelte ihm den Arm.
»Aber erwarte nicht zu viel von mir, Bruder. Ros Ailithir ist mindestens drei Tagereisen von hier entfernt, und es liegt unwegsames Gelände dazwischen. Ich soll also hinreisen, ein Geheimnis aufdecken und rechtzeitig zurück sein, um ein Plädoyer für die Ratsversammlung in Tara vorzubereiten? Damit
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