03 - Tod im Skriptorium
angewandt wurde, wenn dem Spieler kein anderes mehr blieb.
»Vielleicht finden wir einmal Gelegenheit, unser Können zu messen?« lud Rumann sie ein.
»Vielleicht«, antwortete Fidelma höflich, »aber jetzt habe ich wenig Zeit.«
Sie winkte Cass mit den Augen, ihr nach draußen zu folgen, und dort berichtete sie ihm, was in Cashel geschehen war. Auch er war nicht überrascht.
»Dein Bruder hat ein schweres Erbe angetreten, Fidelma«, sagte Cass. »Ändert das an dem Stand der Dinge hier überhaupt etwas?«
»Nein. Es macht es nur noch dringender nötig, daß wir Erfolg haben.« Fidelma fragte Cass nun, ob er einen der Jungen, Cétach oder Cosrach, gesehen habe.
Cass schüttelte den Kopf.
»Als ob ich nicht schon genug am Halse hätte«, murrte Fidelma. »Reicht es nicht schon, daß ich versuchen muß, das Rätsel um den Mord an Dacán zu lösen, und nun gibt es offenbar auch noch ein Geheimnis um diese Kinder?«
Als Cass sie verständnislos ansah, erzählte sie ihm, was Cétach zu ihr gesagt hatte und wie ihr Gespräch mit Salbach verlaufen war.
»Ich habe schon gehört, daß Salbach ein anmaßender und arroganter Kerl ist«, gestand Cass. »Vielleicht hätte ich dich warnen sollen?«
»Nein. Es ist besser, wenn ich mir selbst meine Meinung bilde.«
»Nach dem, was du sagst, scheint es fast, als wolle er Intat vor der Anschuldigung in Schutz nehmen.«
»Fast. Vielleicht wollte er auch nur Beweise sehen. Schließlich hat er doch selbst Intat zum Friedensrichter ernannt.«
Die Mittagsglocke begann zu läuten.
»Denken wir eine Weile nicht über all diese Geheimnisse nach«, schlug Cass vor. »Die Kinder werden wir wahrscheinlich beim Mittagessen treffen. Ich habe noch nie erlebt, daß ein Kind eine Mahlzeit versäumt hat. Und wenn wir sie dort nicht finden, kann ich mich heute nachmittag nach ihnen umsehen, während du deine Untersuchung weiterführst.«
»Das ist ein ausgezeichneter Vorschlag, Cass«, stimmte Fidelma bereitwillig zu. »Ich muß die Bibliothekarin und den Rektor danach fragen, welche Rolle der Ehrwürdige Dacán in Ros Ailithir gespielt hat.«
Sie gingen in den Speisesaal. Fidelma blickte sich gründlich um, konnte aber keine Spur von Cétach oder Cosrach entdecken, und Schwester Eisten sah sie auch nicht. Wie versprochen, verließ Cass den Raum sogleich nach der Mahlzeit und machte sich auf die Suche nach ihnen.
Als Fidelma ein wenig später aus dem Saal kam, hörte sie, wie zwei Schüler einen hochgewachsenen älteren Mann als Bruder Ségán anredeten. Sie blieb stehen und betrachtete den fer-leginn , den Rektor der Schule. Seine hagere, düstere Gestalt paßte irgendwie schlecht zu seinem freundlichen Wesen, denn er begrüßte die beiden Schüler mit einem raschen Lächeln und begleitete seine Worte mit einem breiten Lachen.
Fidelma wartete, bis die Schüler weitergegangen waren. Als Bruder Ségán seinen Weg fortsetzen wollte, sprach sie ihn mit Namen an.
»Ach, du bist Fidelma von Kildare?« Bruder Ségán begrüßte sie mit einem festen Händedruck. »Ich habe von deiner Ankunft erfahren. Abt Brocc sagte mir, daß du kämst. Ich habe viel Gutes über deine Urteile bei unrechtmäßigen Tötungen gehört.«
»Ich möchte mit dir über den Ehrwürdigen Dacán sprechen.«
»Das habe ich mir gedacht«, sagte der Rektor lächelnd. »Gehen wir ein Stück zusammen«, schlug er vor, »dabei können wir reden.«
Er schritt voran durch einen Torbogen in den lúbgort genannten Abteigarten, nach lúb wie Kraut und gort wie eingehegtes und bebautes Land. Selbst jetzt im Spätherbst stiegen Fidelma in dem von einer Mauer umgebenen Gelände noch verschiedene angenehme Düfte in die Nase. Sie fühlte sich immer wohl in einem Garten, besonders in einem Kräutergarten, denn die Gerüche wirkten beruhigend auf sie. Es war niemand in Sichtweite, und Bruder Ségán führte sie zu einer Steinbank in einem winzigen Arboretum. Hinter dem Arboretum stand ein Brunnen. Eine kleine runde Steinmauer faßte ihn ein, und an einem von Säulen getragenen Holzbalken hing ein Seil für den Eimer.
Als Ségán bemerkte, daß Fidelma den Brunnen betrachtete, erklärte er: »Man nennt ihn Fachtnas heiligen Brunnen. Es war der ursprüngliche Brunnen der Gemeinschaft, die Fachtna hier ansiedelte, doch jetzt reicht er leider bei weitem nicht mehr für alle aus. Die Abtei besitzt nun andere Brunnen, doch dieser bleibt der heilige Brunnen Fachtnas.«
Mit einer Handbewegung lud er sie zum Sitzen ein.
»Also dann«,
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