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03 - Tod im Skriptorium

03 - Tod im Skriptorium

Titel: 03 - Tod im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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sagte er knapp, »stell deine Fragen.«
    »Kanntest du Dacán, bevor er nach Ros Ailithir kam?« begann sie.
    Ségán schüttelte den Kopf.
    »Ich hatte natürlich von seinem Ruhm gehört. Er war ein großer Gelehrter. Doch wenn du fragst, ob ich ihm je begegnet bin, bevor er in die Abtei kam, so muß ich das verneinen.«
    »Er befaßte sich auch mit Geschichte?« Fidelma hatte Dacán früher nur als Theologen gekannt.
    »O ja. Geschichte war sein Spezialfach«, bestätigte Ségán.
    »Weißt du, weshalb Dacán nach Ros Ailithir kam?«
    »Wir genießen eben ein gewisses Ansehen, Schwester«, erklärte der Rektor fröhlich. »Unter unseren vielen Schülern sind zahlreiche aus den angelsächsischen Königreichen und sogar aus dem Land der Franken, ganz zu schweigen von den Briten und denen aus den fünf Königreichen von Éireann.«
    »Ich glaube nicht, daß Dacán nur wegen des Ansehens von Ros Ailithir herkam«, sagte Fidelma offen. »Ich meine, er kam mit einer bestimmten Absicht.«
    Ségán überlegte einen Augenblick.
    »Ja, vielleicht hast du recht«, gab er zu. »Verzeih mir meine Eitelkeit; ich würde gern annehmen, daß unser guter Ruf als Anstalt der Gelehrsamkeit der einzige Grund war. Er kam wohl her, um sich in unserer Bibliothek Wissen anzueignen. Mit welcher besonderen Absicht, das weiß ich nicht. Danach müßtest du unsere Bibliothekarin, Schwester Grella, fragen.«
    »Mochtest du Dacán?«
    Ségán antwortete nicht sofort.
    »Ich glaube, ›mögen‹ ist nicht der richtige Ausdruck, Schwester«, sagte er dann. »Ich haßte ihn nicht, und in akademischer Hinsicht kamen wir sogar ganz gut miteinander aus.«
    »Das allein ist schon ungewöhnlich«, bemerkte sie.
    »Warum?«
    »Weil mir alle, die ich bisher fragte, erklärt haben, daß Dacán hier allgemein unbeliebt war. Wurde er vielleicht deshalb ermordet? Ich habe gehört, er war abweisend, kalt, unfreundlich und ein Asket.«
    Nun brach Ségán in offenes Lachen aus, ein volles, unbeschwertes Lachen.
    »Das sind wohl kaum Eigenschaften, für die man einen Menschen zum Höllenfeuer verdammt. Wenn wir jeden umbrächten, den wir hassen, dann würde am Ende kaum ein Mensch auf Erden übrigbleiben. Sicherlich war Dacán humorlos. Aber er war ein ernsthafter Gelehrter, und als solchen achtete ich ihn. Ja, ›mögen‹ ist nicht das richtige Wort, doch mit ›achten‹ könnte man meine Haltung ihm gegenüber besser beschreiben.«
    »Er hat hier auch unterrichtet und nicht nur geforscht, hat man mir erzählt.«
    »Das stimmt.«
    »Vermutlich lehrte er Geschichte?«
    »Was sonst? Er interessierte sich für die frühen Überlieferungen darüber, wie unser Ahnherr Míl Easpain und die Kinder Gaels nach Éireann kamen und wie Míls Bruder Amergin der Göttin Éire gelobte, daß das Land künftig ihren Namen tragen werde«, sagte Ségán.
    »Die Richtung erscheint mir ziemlich harmlos«, bemerkte Fidelma.
    »Schwester, du nimmst doch nicht im Ernst an, daß Dacán ermordet wurde, weil jemandem seine Person oder seine Geschichtsauffassung nicht gefiel?«
    »So etwas hat es schon gegeben«, erwiderte Fidelma voller Ernst. »Gelehrte werden zu wilden Tieren, wenn sie verschiedener Meinung sind.«
    »Ja, dessen müssen wir uns schuldig bekennen«, gab Ségán zu. »Manche Historiker sind in der Geschichte gefangen, wie die Geschichte in ihnen gefangen ist. Dacán war zweifellos ein Mann seines Volkes …«
    »Was meinst du damit?« fragte Fidelma rasch.
    »Er war ungeheuer stolz auf Laigin, das meine ich damit. Ich erinnere mich, daß er und unser leitender Arzt, Bruder Midach, einmal …« Plötzlich hielt er verlegen inne.
    »Sprich weiter«, forderte ihn Fidelma auf. »Alles, auch wenn es noch so unbedeutend scheint, ist wichtig für meine Untersuchung.«
    »Ich möchte keine Unruhe verbreiten, zumal wenn es keinen Grund dafür gibt.«
    »Die Wahrheit ist immer ein guter Grund, Rektor«, beharrte Fidelma. »Erzähl mir von Bruder Midach und Dacán.«
    »Sie gerieten einmal in einen Streit, bei dem es zwischen ihnen fast zu Schlägen gekommen wäre.«
    Fidelmas Augen weiteten sich. »Worum ging es denn dabei?«
    »Eine einfache historische Angelegenheit, weiter nichts. Dacán prahlte mit Laigin, wie er es meistens tat. Midach sagte, die Leute aus Laigin seien nichts weiter als Ausländer. Er behauptete, sie seien eigentlich Gallier, die in Galian landeten, wie die Provinz damals hieß. Sie kamen als Söldner, um dem verbannten Labraid Loinseach zu helfen, den Thron

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