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03 - Winnetou III

03 - Winnetou III

Titel: 03 - Winnetou III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welcher voranritt, die Hand, machte mit derselben eine schnelle, waagrechte Bewegung und sofort verstummte der Lärm. Auf ein weiteres Zeichen von ihm bildete die Reiterschar einen Halbkreis, in dessen Mitte ich genommen wurde, Pida neben mir, dabei zwei Rote, deren besondere Aufgabe es war, ja nicht von meiner Seite zu weichen. Santer drängte sich mit heran; der junge Häuptling tat so, als ob er ihn gar nicht sähe.
    Wir ritten auf ein großes Zelt zu, dessen Spitze mit Häuptlingsfedern geschmückt war. Vor dem Eingang desselben befand sich in halb sitzender, halb liegender Stellung Tangua. Er hatte außerordentlich gealtert und war dürr wie ein Skelett geworden, aus dessen tiefen Augenhöhlen mich ein Blick traf, spitz wie ein Dolch, scharf wie ein Bowiemesser und unversöhnlich wie – wie – nun eben wie Tangua. Sein langes Haar war weiß wie Schnee geworden.
    Pida sprang vom Pferd; seine Krieger taten dasselbe und traten eng um uns zusammen. Jeder wollte die Worte hören, mit denen ich von Tangua empfangen wurde. Man band mich vom Pferd los und ließ mir zunächst noch die Füße frei, so daß ich stehen konnte. Ich selbst war auch nicht wenig neugierig auf die ersten Empfangsworte des Alten, hatte aber lange auf sie zu warten.
    Er betrachtete mich von oben bis unten, dann von unten bis oben, noch einmal und noch einmal; es war ein grausamer Blick, der mir hätte Angst einflößen können. Dann schloß er die Augen. Kein Mensch sprach; es herrschte die tiefste Stille, die nur von dem Geräusch, welches die Pferde hinter uns machten, unterbrochen wurde. Das war mir unangenehm, und eben wollte ich zuerst das Schweigen brechen, da sagte er, langsam und feierlich, ohne die Augen zu öffnen:
    „Die Blume hofft auf den Tau; er will nicht kommen; sie senkt das Haupt und welkt; schon ist sie am Sterben, da kommt er endlich doch!“
    Wieder schwieg er eine Weile; dann begann er abermals:
    „Der Büffel scharrt im Schnee, unter welchem er keinen Grashalm findet. Er brüllt hungrig den Frühling herbei, der nicht kommen will; er magert ab, sein Höcker schwindet; seine Kraft wird klein, und fast muß er verenden. Da weht ein warmer Wind, und hart am Tod sieht er den Frühling noch.“
    Es trat wieder eine Pause ein.
    Was ist der Mensch doch für ein sonderbares, unbegreifliches Geschöpf! Dieser Indianer hatte mich gekränkt, beleidigt, und verhöhnt wie noch nie ein anderer, mich gehaßt und verfolgt, mir nach dem Leben getrachtet, und wie hatte ich ihm das vergolten? Mit Nachsicht. Anstatt ihn zu erschießen, hatte ich ihm meine Kugel nur in die Beine geschickt, und das auch nur notgedrungen. Und nun er vor mir lag als die Ruine eines Kriegers, eine Menschenhaut, die über klappernde Knochen gezogen ist, mit hohler Stimme wie im Traum, wie aus dem Grab redend, da dauerte er mich, da tat er mir leid, und ich wünschte, ich hätte damals gar nicht auf ihn geschossen. Und das fühlte und das wünschte ich, obgleich ich wußte, daß er nach Rache förmlich lechzte und jetzt die Augen nur im Übermaß der Freude, des Entzückens geschlossen hielt, des Entzückens darüber, daß er nun endlich, endlich den Durst nach meinem Blut stillen könne. Ja, der Mensch ist zuweilen ein höchst sonderbarer Kerl, zumal wenn er – – – ein Deutscher ist!
    Jetzt sprach er von neuem, ohne etwas andres als seine blutleeren Lippen zu bewegen:
    „Tangua war die Blume und war der hungernde Büffel. Er sehnte sich und brüllte nach Rache; sie wollte nicht kommen. Er schwand dahin von Mond zu Mond, von Woche zu Woche, von Tag zu Tag; sie zögerte noch immer. Schon war ihm der Tod des Alters nahe, da kam sie doch!“
    Während er dies ganz in der vorigen Weise gesprochen hatte, riß er jetzt plötzlich die Augen weit auf, richtete sich, soweit ihm seine steifen Beine dies gestatteten, in die Höhe, streckte die hageren Arme mit den weit auseinander gespreizten zehn Fingern nach mir aus und schrie mit überschnappender Stimme:
    „Ja, sie kommt, sie kommt! Sie ist da, sie ist schon da! Ich sehe sie, ich sehe sie hier, da gleich vor mir! Hund, wie, wie, wie sollst du sterben!“
    Er sank ermattet zurück und schloß die Augen wieder. Niemand wagte es, die Stille zu unterbrechen; selbst Pida, sein Sohn, schwieg. Erst nach einer längeren Weile öffnete er die Lider wieder und fragte:
    „Wie ist diese stinkende Kröte in eure Hände gefallen? Ich will es wissen.“
    Diese Gelegenheit ergriff Santer sofort. Ohne zu warten, ob Pida,

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