03 - Winnetou III
Zeit, auch ein Wort zu sprechen, denn ich las aus Pidas Gesicht, daß er sich bewogen fühlte, seinen Widerstand aufzugeben. Darum sagte ich:
„Ja, das war klug, aber nicht wahr gesprochen. Santer ist nicht dieses Papiers wegen nach den Mugworthills gekommen.“
Der Alte fuhr bei dem Klang, dem Ton meiner Stimme zusammen wie jemand, der vor einer Gefahr erschrickt. Er zischte mich giftig an:
„Der stinkende Hund beginnt zu bellen, doch wird es ihm gar nichts nützen!“
„Pida, der junge, tapfere Häuptling der Kiowas, sagte vorhin, daß Tangua gerecht und weise sei“, fuhr ich fort. „Wenn das wahr ist, wirst du nicht parteiisch handeln.“
„Es ist wahr.“
„So sag, ob du erwartest von mir eine Lüge zu hören!“
„Nein. Old Shatterhand ist das gefährlichste der Bleichgesichter und mein ärgster Feind, aber er hat nie mit zwei Zungen gesprochen.“
„So sage ich dir, daß kein anderer Mensch als nur ich allein wissen konnte, wo das Papier lag und was es enthält. Santer hatte keine Ahnung davon, und nicht ich, sondern er kam zufällig dazu, als es gefunden worden war. Ich hoffe, daß du mir das glaubst.“
„Tangua nimmt an, daß Old Shatterhand nicht lügt; aber Santer behauptet auch, die Wahrheit gesagt zu haben. Wie soll ich da entscheiden, wenn ich gerecht sein will?“
„Es ist gut, wenn die Gerechtigkeit sich mit der Klugheit paart. Santer ist oft bei den Mugworthills gewesen; er hat dort Gold gesucht, doch ohne es zu finden; das weiß Tangua genau, denn er hat ihm das Suchen ja erlaubt. Er kam auch diesmal nur des Goldes wegen.“
„Das ist Lüge!“ fuhr mich Santer an.
„Es ist die Wahrheit“, behauptete ich. „Tangua mag sich bei den drei andern Bleichgesichtern erkundigen. Santer hat sie mitgebracht damit sie ihm suchen helfen sollen.“
Der Alte tat dies, und Gates, Clay und Summer mußten zugeben, daß es so war, wie ich gesagt hatte. Da machte Santer einen letzten, zornigen Versuch:
„Und dennoch kam ich des Papieres wegen! Allerdings wollte ich nebenbei auch wieder nach den Nuggets suchen und nahm diese drei Männer mit, daß sie mir helfen sollten, doch von dem Papier sagte ich ihnen nichts, weil nur ich davon wissen durfte.“
Das brachte den alten Häuptling wieder aus der Fassung. Er rief mißmutig aus:
„Da hat nun jeder recht! Was soll ich tun?“
„Klug sein“, antwortete ich. „Santer mag uns sagen, ob das Papier Wert für ihn hat oder nicht!“
„Natürlich hat es Wert“, erklärte er. „Es ist sogar von großer Wichtigkeit für mich, sonst würde ich nicht so darauf bestehen, es zu bekommen.“
„Gut! Ist es nur ein Papier, oder sind es mehrere?“
„Mehrere“, antwortete er; er hatte das wohl gesehen, als ich am Grab saß und las.
„Wie viele? Zwei – drei – vier – fünf?“
Er schwieg, denn wenn er jetzt nicht das Richtige traf, so war er überführt.
„Seht daß er schweigt!“ sagte ich. „Er weiß es nicht.“
„Ich habe es vergessen. Wer merkt sich so etwas genau!“
„Wenn diese Papiere so sehr wichtig für ihn sind, muß er genau wissen, um wieviele Blätter es sich handelt. Und selbst wenn er es früher gewußt und dann später vergessen haben sollte, so wird er wenigstens und ganz bestimmt sagen können, ob sie mit Tinte oder mit Blei geschrieben worden sind. Aber ich vermute, daß er auch da wieder schweigen wird.“
Diese letzten Worte sagte ich in stark ironischem Ton, um ihn zu einer schnellen Antwort zu verleiten. Ich erwartete, daß er das Richtige nicht erraten würde, weil im wilden Westen Tinte nur in den Forts zu finden ist und es viel eher vorkommen kann, daß jemand einen Bleistift bei sich hat. Diese Berechnung war richtig, denn er erwiderte meine ironische Bemerkung mit der unbedachten aber zuversichtlichen Behauptung:
„Natürlich weiß ich das, denn so etwas vergißt man nicht. Die Papiere sind mit Blei geschrieben.“
„Sollte das kein Irrtum sein?“ fragte ich der Sicherheit wegen noch einmal.
„Ich irre mich nicht; es ist Bleistift und nicht Tinte!“
„Gut! Wer von den anwesenden Kriegern hat sprechende Papiere der Bleichgesichter gesehen, so daß er Tinte von Blei unterscheiden kann?“
Es gab einige, die sich getrauten, diese Unterscheidung treffen zu können. Übrigens waren Gates, Clay und Summer da. Darum forderte ich Pida auf:
„Der junge Häuptling der Kiowas mag die Papiere aus meiner Tasche nehmen und sie prüfen lassen, sie aber Santer ja nicht zeigen.“
Er tat dies, und
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