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03 - Winnetou III

03 - Winnetou III

Titel: 03 - Winnetou III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wollte, erstickten in der Anstrengung, die ich machte, mich vom Baum loszureißen. Santer ritt davon, ritt im Galopp davon, und die Wächter waren zwar aufgesprungen, taten aber nichts, als daß sie ihm mit verständnislosen Augen nachstierten. Winnetous Testament! Der letzte Wille meines Bruders Winnetou war gestohlen worden! Da draußen jagte der Dieb schon über den offenen Plan, und kein Mensch machte Miene, ihn zu verfolgen!
    Ich war außer mir und zog, zog, zog mit aller Gewalt an dem Riemen, der meine Hände fest am Baum hielt. Ich dachte nicht daran, daß er geradezu unzerreißbar war und daß ich auch nicht fortgekonnt hätte, wenn er zerrissen wäre, weil meine Füße doch auch festgebunden waren. Ich fühlte auch die Schmerzen nicht, welche sein Einschneiden in die Handgelenke hervorbringen mußte; ich zog und zog und schrie und schrie – – – da stürzte ich plötzlich vornüber auf die Erde; der Riemen war zerrissen.
    „Uff, uff!“ riefen die Wächter; „er ist los, er ist los!“
    Sie griffen nach mir, um mich zu halten.
    „Laßt mich, laßt!“ brüllte ich. „Ich will ja gar nicht fliehen; ich will nur los, um Santer zu verfolgen und festzuhalten! Er hat Pida, euern jungen Häuptling, bestohlen.“
    Mein Geschrei hatte natürlich das ganze Dorf rebellisch gemacht. Alles eilte herbei, um mich festzuhalten. Das war verhältnismäßig leicht, weil ich noch mit den Füßen festhing und es hundert Hände gab, die sich nach mir ausstreckten; aber ohne Hiebe und Stöße von meiner und Schrammen und Beulen von ihrer Seite ging es doch nicht ab, bis ich mit den Händen wieder fest am Baum hing.
    Die roten Kerls rieben sich die Stellen, an denen ich sie getroffen hatte, schienen mir aber gar nicht sehr böse darüber zu sein, sondern äußerten ihr außerordentliches Erstaunen nur darüber, daß ich den Riemen zerrissen hatte.
    „Uff, uff, uff – – – losgekommen – – – hätte kein Büffel zerrissen – – – hätte kein Mensch glauben können!“
    Solche und ähnliche Bewunderungsrufe wurden laut, und nun erst fühlte ich die Schmerzen in meinen Handgelenken, welche bluteten, denn der Riemen hatte mir, ehe er zerriß, das Fleisch bis auf die Knochen zerschnitten.
    „Was steht ihr hier und starrt mich an!“ herrschte ich ihnen zu. „Habt ihr noch nicht verstanden, was ich gesagt habe? Santer hat Pida bestohlen. Schnell auf die Pferde! Holt ihn zurück!“
    Aber keiner gehorchte. Ich war außer mir und schrie immer fort, bis endlich einer kam, der verständiger als die andern war, nämlich ‚Eine Feder‘. Er drängte die andern auseinander, kam zu mir und fragte, was geschehen sei. Ich sagte es ihm.
    „Das sprechende Papier gehörte also jetzt Pida?“ erkundigte er sich erst zum Überfluß.
    „Natürlich, natürlich! Du hast ja auch dabei gesessen, als es ihm zugesprochen wurde!“
    „Und du weißt genau, daß Santer mit demselben entflohen ist und nicht wiederkommen will?“
    „Ja, ja!“
    „So müssen wir Tangua fragen, was geschehen soll, denn er ist der Häuptling.“
    „Fragt ihn meinetwegen, fragt! Aber zögert nicht, sondern macht schnell, schnell, schnell!“
    Aber er zauderte noch, denn er sah den Riemen, den ich zerrissen hatte, an der Erde liegen, bückte sich, betrachtete ihn, schüttelte den Kopf und fragte den ihm nächststehenden Roten:
    „Das ist der Riemen, den er zerrissen hat?“
    „Ja.“
    „Uff, uff! Ja, er ist Shatterhand! Und dieser Mann muß sterben! Warum ist er kein roter Krieger, kein Kiowa, sondern ein Bleichgesicht!“
    Nun erst ging er fort und nahm den Riemen mit; die andern außer meinen Wächtern folgten ihm.
    Nun wartete ich mit Spannung, mit verzehrender Ungeduld darauf, wann die Verfolgung des Diebes beginnen werde. Keine Spur davon! Nach kurzer Zeit ging das ruhige Dorfleben in seinen bisherigen Bahnen weiter. Das hätte mich rasend machen können. Ich bat meine Aufseher, sich doch zu erkundigen. Sie durften nicht fort. Sie riefen einen andern herbei, durch den ich erfuhr, Tangua habe die Verfolgung untersagt; an dem sprechenden Papier liege nichts, denn Pida könne es nicht lesen und nicht brauchen.
    Man kann sich meine Aufregung, meinen Ärger, nein, nicht bloß Ärger, sondern meine Wut denken! Ich knirschte mit den Zähnen, daß meine Wächter besorgt zu mir aufblickten, und war nahe daran, mich wieder loszureißen, trotz der Schmerzen, die mir das verursachte. Ich stöhnte förmlich vor Grimm. Aber was konnte das nützen

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