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03 - Winnetou III

03 - Winnetou III

Titel: 03 - Winnetou III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und helfen? Nichts, gar nichts! Ich mußte mich darein ergeben. Das sah ich endlich ein und zwang mich, wenn nicht zur innern, so doch zur äußern Ruhe. Aber die erste Gelegenheit zur Flucht mußte benutzt werden, und wenn die Hindernisse dabei noch so bedeutend sein sollten; das nahm ich mir vor!
    So mochten drei Stunden vergangen sein, als ich eine weibliche Stimme laut rufen hörte. Ich hatte vorhin gesehen, es aber nicht beachtet, das ‚Dunkles Haar‘ aus ihrem Zelt getreten und fortgegangen war. Jetzt kam sie eiligen Laufes und laut schreiend zurück, verschwand im Eingang und kam dann mit Ihrem Vater wieder heraus, der, auch laut rufend, mit ihr davonrannte. Alle, die sich in der Nähe befanden, liefen hinter ihnen her. Da mußte etwas, und zwar etwas Wichtiges geschehen sein! Vielleicht bezog es sich auf den Diebstahl der Papiere!
    Es dauerte nicht lange, so kam ‚Eine Feder‘ stracks nach der Stelle gerannt, wo ich am Baum stand, und rief mir schon von weitem zu:
    „Old Shatterhand versteht alles. Ist er auch ein Arzt!“
    „Ja“, antwortete ich in der Hoffnung, zu einem Kranken geführt zu werden, denn da mußte man mich ja losbinden.
    „Du kannst also Kranke heilen?“
    „Ja.“
    „Aber nicht Tote erwecken?“
    „Ist jemand tot? Wer ist es?“
    „Meine Tochter.“
    „Deine Tochter? ‚Dunkles Haar‘?“ fragte ich erschrocken.
    „Nein, sondern ihre Schwester, die Squaw des jungen Häuptlings Pida. Sie lag gefesselt an der Erde und regte sich nicht. Der Medizinmann hat sie untersucht und gesagt, daß sie gestorben sei, erschlagen von Santer, dem Dieb der sprechenden Papiere. Will Old Shatterhand mitkommen und ihr das Leben wiedergeben?“
    „Führt mich zu ihr!“
    Ich wurde vom Baum gelöst und dann mit wieder zusammengebundenen Händen und lang gefesselten Füßen durch das Dorf nach Pidas Zelt geführt. Daß ich dieses und die Lage desselben jetzt kennenlernte, war mir außerordentlich lieb, weil sich in demselben, wie ich ja wußte, meine beiden Gewehre befanden. Der Platz wimmelte von roten Männern, Frauen und Kindern, welche ehrerbietig eine Gasse bahnten, so daß ich hindurch konnte.
    Ich trat mit ‚Eine Feder‘ in das Zelt, in welchem ‚Dunkles Haar‘ und ein alter, häßlicher Kerl neben der am Boden liegenden vermeintlichen Leiche hockten; dieser Kerl war der Medizinmann. Beide standen auf, als sie mich eintreten sahen. Ich überflog mit einem Blick den ganzen Raum. Ah, da links lag mein Sattel mit der Decke, und an einer der Seitenstangen hingen meine Revolver, und über ihnen steckte das Bowiemesser! Diese Gegenstände befanden sich hier, weil der Besitzer des Zeltes jetzt ihr Eigentümer sein sollte. Es läßt sich denken, wie froh ich darüber war!
    „Old Shatterhand mag die Tote ansehen, ob er sie wieder lebendig machen kann!“ bat mich ‚Eine Feder‘.
    Ich kniete nieder und untersuchte sie mit den gefesselten Händen. Erst nach längerer Zeit entdeckte ich, daß ihr Blut noch in Bewegung war. Ihr Vater und ihre Schwester hielten ihre Augen mit angstvoller Spannung auf mich gerichtet.
    „Sie ist tot, und kein Mensch kann Tote erwecken“, erklärte der Medizinmann.
    „Old Shatterhand kann es“, behauptete ich.
    „Du kannst es, du? Wirklich?“ fragte ‚Eine Feder‘ schnell und froh.
    „Wecke sie auf, o wecke sie auf!“ bat mich ‚Dunkles Haar‘ indem sie mir beide Hände auf die Schulter legte.
    „Ja, ich kann es und werde es tun“, wiederholte ich; „aber wenn das Leben wiederkehren soll, so darf kein Mensch als ich allein bei der Toten sein.“
    „Wir sollen also hinaus?“ fragte der Vater.
    „Ja.“
    „Uff! Weißt du, was du verlangst?“
    „Was?“ fragte ich, obgleich ich es sehr wohl wußte.
    „Hier sind deine Waffen. Wenn du sie bekommst, bist du frei. Versprichst du mir, sie nicht anzurühren?“
    Es läßt sich denken, wie schwer mir die Antwort wurde. Mit dem Messer konnte ich meine Fesseln trennen. Hatte ich dann die Revolver und den Stutzen, so hätte ich den sehen mögen, der so tollkühn gewesen wäre, sich an mich zu wagen! Aber nein! Es konnte dabei zum Kampf kommen, was zu vermeiden war, und es widerstrebte mir, die Ohnmacht eines Weibes zu einem solchen Zweck auszubeuten. Auf einem für weibliche Arbeiten ausgespannten Fell sah ich verschiedene Handwerkszeuge, Nadeln, Bohrer und dergleichen liegen, dabei auch zwei oder drei kleine Messer, wie sie von den Indianerinnen zum Auftrennen der starken, festen Sehnennähte gebraucht

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