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03 - Winnetou III

03 - Winnetou III

Titel: 03 - Winnetou III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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werden ihn holen.“
    „Nein; er ist alt und gebrechlich und mag bleiben. Ich gehe zu ihm.“
    Man führte mich in einen kleinen, in den Felsen gehauenen Raum, wo der Alte saß. Er erschrak freudig, als er mich sah, und begann, mir eine lange Rede zu halten, die ich aber mit der Frage unterbrach:
    „Sag mir das später! War ein fremdes Bleichgesicht da?“
    „Ja“, antwortete er.
    „Wann?“
    „Gestern.“
    „Hat der Mann seinen Namen genannt?“
    „Nein. Er sagte, Winnetou habe ihm dies verboten.“
    „Er ist fort?“
    „Ja.“
    „Wie lange blieb er hier?“
    „Die Zeit ungefähr, welche die Bleichgesichter eine Stunde nennen.“
    „Er hatte zu dir gewollt?“
    „Ja, er ließ sich zu mir führen und zeigte mir auf Leder das Totem Winnetous, von dem er einen letzten Befehl auszuführen habe.“
    „Was wollte er von dir?“
    „Die Beschreibung des Sees, den Ihr damals Deklil-to genannt habt.“
    „Du hast sie ihm gegeben?“
    „Ich mußte doch, denn Winnetou hatte es befohlen.“
    „Hast du die Gegend genau beschrieben?“
    „Den Weg von hier aus hin und auch die Gegend dort selbst.“
    „Den Fichtenwald, den Fels, den Wasserfall?“
    „Alles.“
    „Auch den Weg auf den überhängenden Stein hinauf?“
    „Auch ihn. Es erquickte meine Seele, mit ihm reden zu können von den Orten, an denen ich damals gewesen bin mit Old Shatterhand und Winnetou, dem Häuptling der Apachen, der uns verlassen hat und in die ewigen Jagdgründe gegangen ist. Bald werde ich ihn dort wiedersehen.“
    Dem alten Mann war kein Vorwurf zu machen; er hatte nur dem Totem seines geliebten Häuptlings gehorcht. Ich fragte ihn noch:
    „War das Pferd dieses Bleichgesichtes sehr abgemattet?“
    „Gar nicht. Als er auf demselben fortritt, ging es so munter, als ob es lange Zeit ausgeruht habe.“
    „Hat er hier gegessen?“
    „Ja, doch nicht viel, denn er hatte keine Zeit dazu. Er fragte nach Fasern zu einer Zündschnur.“
    „Oh! Hat er welche bekommen?“
    „Ja.“
    „Wozu brauchte er die Schnur?“
    „Das sagte er nicht. Auch Pulver mußten wir ihm geben, sehr viel Pulver.“
    „Zum Schießen?“
    „Nein, sondern um etwas auf- oder wegzusprengen.“
    „Hast du gesehen, wohin er das Totem steckte?“
    „In einen Medizinbeutel, über den ich mich wunderte, denn ich weiß doch, daß die Bleichgesichter keine Medizinen haben.“
    „Uff!“ rief Pida, der neben mir stand. „Er hat ihn noch! Es ist meine Medizin, die er mir gestohlen hat.“
    „Gestohlen? “ fragte Inta verwundert. „War denn dieser Mann ein Dieb?“
    „Noch schlimmer als ein Dieb!“
    „Und doch hatte er das Totem Winnetous!“
    „Das hatte er auch gestohlen. Er war Santer, der Intschu tschuna und Nscho-tschi ermordet hat.“
    Der Alte stand einer Bildsäule gleich. Wir ließen ihn in seinem Schrecken stehen und entfernten uns.
    Also war es uns nicht gelungen, Santer einzuholen; ja, wir hatten ihm nicht einmal einen kleinen Teil seines Vorsprunges abgewonnen. Das war unangenehm, und ‚Blutige Hand‘ schlug darum vor:
    „Wir bleiben gar nicht hier, sondern reiten sogleich fort. Vielleicht holen wir ihn da ein, ehe er das dunkle Wasser erreicht.“
    „Glaubst du, das tun zu können, ohne auszuruhen? Wir haben allerdings Mondschein und können da während der Nacht reiten.“
    „Ich brauche keine Ruhe!“
    „Und Pida?“
    „ Ich kann nicht eher ruhen, als bis ich meine Medizin wieder habe“, antwortete dieser.
    „Gut so essen wir und nehmen dann frische Pferde. Meinen Schimmel werde ich hier lassen. Auch mich treibt es fort. Daß er sich Pulver und Zündschnur hat geben lassen, deutet auf Explosion hin, auf eine Sprengung, durch welche er mir alles zerstören kann. Wir müssen uns beeilen.“
    Die Bewohner des Pueblo baten uns freilich dringend, zu bleiben; ich sollte ihnen von Winnetou erzählen, von unsern letzten Erlebnissen und von seinem Tod. Ich vertröstete sie auf unsere baldige Rückkehr; damit mußten sie sich zufrieden geben. Schon zwei Stunden nach unserer Ankunft ritten wir auf frischen Pferden und mit reichlichem Proviant versehen wieder fort, ich, Til-Lata, Pida und zwanzig Apachen. Auf soviel Begleitung hatte Til-Lata gedrungen, obgleich wir sie zu unserm Schutz nicht brauchten, denn das Land, durch welches wir kamen, gehörte den verwandten Mimbrenjos, von denen wir keine Feindseligkeiten zu erwarten hatten.
    Wir mußten, um von dem Pueblo nach dem See des dunkeln Wassers zu kommen, einen Weg von wenigstens sechzig

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