030 - Bei den drei Eichen
also ist erst eine Woche seit unserer Abreise nach Hindhead vergangen . . . Jetzt aber, Mr. Jetheroe«, er lächelte dem glücklichen Vater zu, der Mollys Hand nicht losließ, »jetzt müssen Sie damit herausrücken!« »Womit, Mr. Smith?«
»Mit John Mandles Bericht, den Sie aus dem Marmorsitz des Pavillons fortgenommen haben.«
Jetheroes Miene erhellte sich. »Ach, den meinen Sie!«
Er zog einen Stoß zusammengefalteter Papiere aus der Brusttasche und reichte sie herüber.
»Ist er interessant?« forschte Socrates. »Wirft er ein Licht auf den Mord in ›Pfuhl im Moor‹?«
»Es war gar kein Mord, und das ist das Ungewöhnliche dabei. Handle und Stein könnten einem beinahe leid tun.«
»So ... so! Kennen Molly und Lex den Bericht schon?«
»Nein.«
»Dann möchte ich ihn vorlesen.«
Socrates blätterte die Seiten flüchtig durch und hob bei der letzten überrascht die Augenbrauen.
»Mr. Smith - Verzeihung, Socrates«, rief Molly, »man darf niemals den Schluß vorwegnehmen.«
Er schmunzelte. »Das tun Romanleser immer!« Und seine Brille aufsetzend, begann er, sie mit dem Inhalt des bemerkenswerten Dokumentes bekanntzumachen.
24
»Ich, John Handle, setzte diesen Bericht auf im Hinblick auf etwaige Belastungen, die mein früherer Kollege Robert Stein im Falle meines Todes gegen mich vorbringen könnte.
Robert Stein und ich sind zusammen in den Polizeidienst eingetreten, wir taten an derselben Stelle Dienst und wurden beide nach unserer Beförderung der Kriminalabteilung überwiesen. Da wir beide ehrgeizig waren, schreckten wir vor keinem Mittel zurück, um eines Verbrechers habhaft zu werden oder ihn zu überführen. Diesen Punkt muß ich betonen, weil Stein mir später vorgeworfen hat, ich sei der skrupelloseste Beamte von Scotland Yard gewesen. Tatsache ist aber, daß dies von ihm mit derselben Berechtigung gesagt werden kann.
Einige Jahre nach unserer Versetzung in die Kriminalabteilung gerieten wir in enge geschäftliche Verbindung mit verschiedenen Spekulanten und Börsenmaklern, die keine einwandfreien Geschäfte machten. Allerdings hatten wir anfangs hiervon keine Ahnung, da wir glaubten, daß wir in unserer Eigenschaft als Polizeibeamte vor Schwindlern sicher seien. Dennoch sind wir in der unverschämtesten Weise übers Ohr gehauen worden. Durch diese Geschäfte, die sich über einen Zeitraum von zwölf Monaten erstreckten, gerieten wir mehr und mehr in Schulden und sahen uns schließlich Verpflichtungen in einer Höhe von mehr als fünftausend Pfund gegenüber. Die Situation war für uns mehr als bedenklich, da Zahlungsunfähigkeit unweigerlich zu unserer Entlassung aus dem Polizeidienst geführt haben würde. Wenn der Chef der Kriminalabteilung gewußt hätte, daß wir mit Börsenjobbern, noch dazu mit anrüchigen, Geschäfte gemacht hatten, so wäre er schon längst eingeschritten.
Unsere Gläubiger drängten, und die Lage erschien hoffnungslos; da erhielten wir den Befehl, nach Emile Deveroux, dem Kassierer der Bank von Lyon, der mit dreißig Millionen Francs durchgegangen war, zu fahnden und ihn zu verhaften. Man wußte, daß er sich in England befand. Da wir außer einer Fotografie, die uns von einer Frau aus seinem Bekanntenkreis überlassen worden war, über keinerlei Anhaltspunkte verfügten, war die Aufgabe nicht leicht und der Erfolg sehr zweifelhaft.
Eines Abends, als wir in einem Restaurant von Soho aßen, wobei sich unser Gespräch um unsere verfahrene finanzielle Lage drehte, stutzte Stein plötzlich und blickte gespannt einem Mann nach, der das Restaurant verließ.
»Das muß Deveroux sein«, flüsterte er mir zu.
Wir zahlten in aller Hast, eilten hinaus und sahen, wie der Fremde wegfuhr. In einer Taxe jagten wir ihm nach, verloren aber im Verkehrsgedränge seine Spur. Die von ihm eingeschlagene Richtung ließ die Möglichkeit offen, daß er sich zur Paddington Station begeben hatte, und so schwach diese Chance auch war, wollten wir sie doch ausnutzen. Als wir zum Bahnhof kamen, fuhr gerade der Westexpreß aus der Halle, und in einem der vorbeigleitenden Wagen entdeckte ich den Mann, von dem wir glaubten, daß er Deveroux sei. Wären wir unserer Sache sicher gewesen, so hätten wir den Zug noch innerhalb Londons anhalten lassen. So aber begnügten wir uns mit einer Nachforschung in der Gepäckaufgabe, wo wir den Dienstmann ausfindig machten, der seine Koffer befördert hatte. Das Gepäck, ein großer Lederkoffer und eine Reisetasche, waren nach Ashburton expediert
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