030 - Das Schloß der Vampire
Wimmern eines Kindes.
Dann änderte sich der Traum leicht. Sie stand noch immer in einem Kellergewölbe, aber die Folterknechte trugen nun schwarze Kutten. Es war heiß von der Glut in den Holzkohlen schalen.
Für einen Normalempfindenden mochte es eine Szene aus Dantes Inferno sein. Ein Ort voll unvorstellbarer Peinigungen, die den Magen umdrehten und den Verstand verlieren ließen. Ein monströses Beispiel von Entartung und des Menschen Grausamkeit gegenüber seinem Bruder.
Für sie aber war es der aufregendste Ort der Welt.
Am entgegengesetzten Ende des Kellers zuckte ein wirres Durcheinander von nackten weißen Körpern, die mit den Daumen von eisernen Gerüsten hingen, die sich langsam bewegten wie ein obszönes Mobile.
In der Kellermitte stand ein steinerner Block. Zwei untersetzte kräftige Männer drückten den entblößten Körper einer Frau darauf, das Gesicht nach unten hängend, während zwei weitere Folterknechte mit dünnen Eisenruten auf ihren Rücken, ihr Gesäß und ihre Schenkel peitschten.
Bei jedem Hieb spritzte Blut, und sie brüllte ihre Qual hinaus. Nach dreißig Schlägen hielten die Geißler keuchend inne und die beiden Gehilfen zerrten die schlaffe, ohnmächtige Gestalt zu einer Öffnung in der Wand und schoben sie hindurch.
Zur gleichen Zeit ging eine Tür in der entgegengesetzten Wand auf. Ein zum Gerippe abgemagerter Mann, der vor Angst schrie, fiel herein, von unsichtbaren Händen gestoßen. Vergeblich wehrte er sich gegen die zupackenden Hände der untersetzten Folterknechte.
Auch er wurde auf den Block geworfen und festgehalten. Auch auf ihn peitschte die Rute hernieder, und Blut schoß auf die Arme und Gesichter seiner Quäler. Es floß auf den Boden, der bereits glatt und rot war vom Blut seiner Vorgänger.
Sie atmete tief ein. Bald, das wußte sie, würde man ihr die hilflosen, ungeschützten und so verwundbaren Leiber dieser menschlichen Wracks überlassen.
Die Vorfreude übermannte sie, und wieder wurde es dunkel.
Das plötzliche Erwachen in einem stockdunklen Raum jagte Penny einen furchtbaren Schrecken ein. Die Erinnerung an die tödliche Umarmung des Vampirs und das damit verbundene entsetzliche Grauen, war zu lebendig in ihr.
„Penny, hörst du es?“ flüsterte Mike neben ihr.
„Ja. Was ist mit dem Licht?“
„Kein Öl mehr in der Lampe! Schon seit einer halben Stunde.“
Dunkelheit im Zimmer, und die Mächte der Finsternis vor dem Fenster.
„Es hilft nichts, wenn wir uns unter der Bettdecke verkriechen“, seufzte Penny. „Komm, versuchen wir herauszubekommen, was es ist.“
Auf Zehenspitzen huschten sie Hand in Hand zum Fenster. Zögernd schob Mike den Vorhang einen Spalt zur Seite.
Was würde sie erwarten? Vielleicht ein riesiges an die Scheibe gedrücktes häßliches Gesicht mit spitzen Zähnen – eine gewaltige fledermausähnliche Silhouette, die sich gegen den helleren Himmel abhob? Oder die schäumenden Lefzen und scharfen Fangzähne eines Wolfs?
Was sie statt dessen sahen, hätte nicht unerwarteter kommen können: Ein menschliches Gesicht, Hände, die sich neben zwei schimmernden Stahlhaken am Fenstersims festklammerten; ein Mund, dessen Lippen unhörbar „Macht doch auf!“ zu flüstern schien.
Mike öffnete einen Fensterflügel, ergriff eine Hand und half einem Mann ins Zimmer, der schnell noch seine Teleskopleiter löste und sie hochzog.
„Mein Name ist Ridgeway“, stellte er sich vor, „Privatdetektiv.“ Er war Mitte zwanzig, hatte pomadig glänzendes schwarzes Haar und trug einen schlechtgearbeiteten rumänischen Sergeanzug. Sein Akzent allerdings war amerikanisch.
„Ich weiß, wer Sie sind“, sagte er. „Cord und Mills. Mit Ihnen ist alles in Ordnung.“
„Hinter wem sind Sie denn, um Gottes willen, her?“ fragte Mike.
„Sie und die beiden Amerikanerinnen befinden sich in größter Gefahr“, wich er aus.
„Was und wieviel wissen Sie?“ forschte Penny.
„Genug über Graf Zapolia, um eigentlich die Hose vollzuhaben. Die Aktien stehen nicht gut für Sie und die zwei Amerikanerinnen.“
„Nun verraten Sie uns schon endlich, was Sie hier suchen“, forderte Penny, langsam ungeduldig werdend.
Ridgeway selbst war in den vereinigten Staaten geboren. Seine Eltern stammten aus Rumänien. Da er perfekt Rumänisch sprach und sich deshalb als Rumäne ausgeben konnte, hatte man ihm den Auftrag gegeben, dem Verschwinden einer kleinen Gruppe amerikanischer Touristen nachzugehen. Irgendwie schien Graf Zapolia etwas damit zu tun
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