030 - Das Schloß der Vampire
sie einen Anflug von Fröhlichkeit.
Natürlich kam es vor, daß ein junges romantisches Mädchen wie Laura sich sterblich in einen älteren Mann verlieben konnte, noch dazu, wenn dieser adelig und außerdem Burgherr war. Aber Penny spürte, daß etwas Sklavisches in ihrem Benehmen ihm gegenüber lag, eine Art von krankhafter Anbetung.
Sie wollte nicht, daß man das Thema wechselte, nun da es interessant wurde, darum sagte sie schnell: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß es nur Aberglaube sein soll. Dazu gibt es viel zu viele wohldokumentierte Fälle in fast jedem Land der Welt.“
Vermutlich, weil sie jetzt nicht mit Gewalt bemüht war, sich an Vampirismus oder Lykanthropie zu erinnern, fiel ihr darüber wieder eine Menge ein.
„Als Mike und ich zur Berichterstattung über den Naganischen Unabhängigkeitskrieg vor drei Jahren in Assam waren, stießen wir auch auf solche Fälle. Die Einheimischen, sie waren früher Kopfjäger, sind es auch insgeheim vielleicht heute noch, glauben fest an Lykanthropie.“
„Aber bei ihnen sind es keine Wölfe“, warf Mike ein, „sondern Tiger.“
„Ja, der Ausdruck bezieht sich jeweils auf das wildeste Raubtier des betreffenden Landes“, fuhr Penny wieder fort. „In Indien ist es sowohl der Tiger als auch der Wolf. Dort hörten wir von einem Fall, wo ein Reisbauer einen menschenfressenden Tiger verfolgte, der dessen Frau getötet hatte. Das Tier schlüpfte in eine einsame Hütte. Offenbar war der Bauer besonders mutig, denn er schlich sich nahe heran. In der Hütte befand sich jedoch kein Tiger, sondern ein Mann.“ Sie machte eine kurze Pause.
„Ähnliches hörten wir in Malaya“, nahm sie das Thema wieder auf. Sie erinnerte sich immer mehr. „Sogar St. Patrick soll einen welschen König, ich glaube sein Name war Veratius, in einen Wolf verwandelt haben.“
Nun hatte sie Lauras volle Aufmerksamkeit. Hildes Gedanken dagegen schienen anderswo zu sein, während Zapolia sie hart, ja fast finster ansah.
„Das ist kein sehr erbauliches Gesprächsthema“, tadelte er.
„Aber Sie brachten es zur Sprache“, erinnerte ihn Penny. „Außerdem ist es in Transsylvanien nicht ungewöhnlich. Lykanthropie und Vampirismus gehören zusammen, und hier sind die Menschen damit vertraut. Wenn ich mich nicht irre, gibt es sogar ein einzelnes Wort für beides.“
„Vlkoslak“, entfuhr es ihm gegen seinen Willen.
„Wie bitte?“
„Vlkoslak. Es ist ein serbisches Wort, das sowohl Werwolf als auch Vampir bedeutet“, sagte er mürrisch.
„Zwei verschiedene Formen von Kannibalismus“, meinte Penny.
Es war offensichtlich, daß der Graf das Thema wechseln wollte. Aber nun war es Laura, die nicht locker ließ. „Im elften Jahrhundert gab es auch in Frankreich Fälle von Kannibalismus. In Tournus.“
„Der jedoch vermutlich durch die damalige Hungersnot bedingt war“, gab Penny zu bedenken.
Nun konnte auch Zapolia nicht umhin, sich an der Unterhaltung zu beteiligen. „Aber es gibt auch Fälle, wo Kannibalismus nur aus Lust betrieben wurde. Sogar in den Vereinigten Staaten, wo ich das Vergnügen hatte, diese reizenden jungen Damen und ihre Eltern kennen zu lernen. Alfred Packer, beispielsweise. Selbst in Ihrer Heimat“, er blickte nacheinander Penny und Mike an, „lebten berüchtigte Menschenfresser.“
„Zum Beispiel?“ fragte Mike, nun ebenfalls gefesselt.
„Nun, da war Sweeney Todd, der dämonische Fleischer aus Ihrer eigenen Fleet Street. Es war das Fleisch seiner Opfer, das Mrs. Lovetts Pasteten so berühmt machte, wenn Sie sich erinnern.“
„Aber er existierte ja gar nicht wirklich.“
„O doch, genau wie Sawney Bean“, versicherte Zapolia. „Aber das ist wirklich kein sehr appetitanregendes Thema, noch dazu, wo gesottenes Lammfleisch auf uns wartet.“
Das Dinner war kein großer Erfolg. Nur Laura und Hilde aßen herzhaft von dem in Milch gedünsteten Lamm. Hildes Appetit schien nicht anders als sonst, während Laura das Fleisch geradezu gierig hinunterschlang.
Der Diener, der sie eingelassen hatte, und den Zapolia Franz nannte, servierte das Essen, assistiert von einem weiteren Bediensteten mit dickem Hals und fleischigem Gesicht.
Beim Mokka und dem ausgezeichneten Kognak, versuchte Penny das Thema auf die Sitten und Gebräuche des Landes zu bringen, um so erneut auf den Vampirismus zurückkommen zu können. Aber der Graf stellte so viele höfliche Fragen über ihre Arbeit, die sie nicht unbeantwortet lassen durften. Schließlich gelang es Penny,
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