030 - Die mordende Anakonda
...«
»Du hast wieder an deine Schlangen gedacht, nicht wahr?«, vermutete der
Wirt völlig richtig.
Joe Rings nickte, ohne dass es ihm bewusst war, dass McBratt ihn gar nicht
sehen konnte. »Ich hatte an einen anderen Gegner gedacht. Aber ich sehe die
Dinge jetzt nüchterner, McBratt. Ich glaube, dass das eine das andere nicht
ausschließt ...«
Rings sprach mit gedämpfter Stimme. Es strengte ihn an, zu sprechen, aber
erstens forderte er damit ständig auch den Wirt zu einer Entgegnung heraus, und
zweitens ermöglichte ihm das laute Sprechen, seine Gedanken klarer zu
formulieren. Er hatte schon immer die Angewohnheit, laut vor sich
hinzusprechen, wenn ihn ein Problem besonders intensiv beschäftigte.
»Wie meinst du das?« Der Wirt begriff offenbar nicht, was Joe Rings an
Überlegungen entwickelte.
»Patrick wurde von einer Schlange verschlungen, McBratt! Ich habe es mit
eigenen Augen gesehen! Die Tatsache, dass wir hier sind, bestärkt mich nur in
der Annahme, dass ich Zeuge eines Vorfalls wurde, dass ich etwas gesehen habe,
was ich besser nicht beobachtet hätte! In der letzten Nacht konnte ich noch
entkommen, vielleicht mit ein bisschen Glück, ich weiß es nicht ...« Er brach
plötzlich ab und redete von etwas ganz anderem. »Hier in dieser Gegend gibt es
mehrere alte Brunnenschächte, das ist bekannt. Je mehr ich darüber nachdenke,
desto sicherer werde ich in der Annahme, dass Patrick in einen solchen
Brunnenschacht gezogen wurde. Und auch wir beide gelangten offenbar auf diesem
Weg in diesen Tunnel. Es war mir allerdings bis zu diesem Augenblick unbekannt,
dass ein so weitverzweigtes Tunnelsystem ...« Er unterbrach sich.
» McBratt ?«, rief er und lauschte.
»Ja, was ist?« Rings atmete auf. »Ich habe nichts mehr von dir gehört.«
»Wenn du die ganze Zeit redest, Joe ...«
Rings' Stirn war schweißbedeckt. Die Tropfen liefen ihm in die Augenwinkel,
und er hätte sie gern weggewischt. Aber seine Hände waren auf dem Rücken
zusammengebunden.
Immer wieder spannte der Ire kraftvoll seine Muskeln, in der Hoffnung,
schon während des Weges zu dem Wirt seine Fesseln zu lockern.
Er tat dies mit der Verzweiflung des Hoffenden, der nicht aufgab, weil er
noch einen Silberstreifen am Horizont sah ...
McBratts Stimme erschien ihm jetzt ganz nahe.
Joe bemerkte, dass die raue Wand in seinem Rücken einen deutlichen Bogen
nach rechts machte. Der Lichtschein in der Ferne war jetzt stärker wahrnehmbar.
Er flackerte, und es erweckte den Eindruck, als wäre da irgendwo vor ihnen eine
Fackel an die Wand gesteckt.
Links, keine zehn Schritte vor ihm an die dunkle Wand gelehnt, erblickte er
die schemenhaften Umrisse einer Gestalt.
»McBratt?«, fragte er.
Er sah, dass der Schatten sich bewegte. Der Wirt bewegte den Kopf. Es wäre
McBratt unmöglich gewesen, seinem Körper die gleiche Leistung abzuverlangen,
wie Joe Rings das getan hatte. Der Wirt war zu schwer, zu massig, zu
unbeweglich.
McBratt schnaufte. »Und wie denkst du dir die Sache jetzt?«
Rings rollte sich ab und wälzte sich über den Boden. Minuten verstrichen,
ehe er direkt neben McBratt lag.
Der Gelegenheitsarbeiter stöhnte vor Anstrengung, als er versuchte, sich
wieder aufzurichten. Seine Muskeln schmerzten, und die Fesseln waren so straff
angezogen, dass ihm das Blut in Händen und Fußgelenken abgebunden wurde. Es war
höchste Zeit, etwas zu unternehmen.
Es gelang dem Iren, direkt neben dem Wirt an der Wand hochzurutschen.
»Jetzt geht es zu wie in einem Wildwest-Film, McBratt«, hauchte er
kraftlos.
»Ich habe so etwas schon oft gesehen, aber ich habe mich nie in einer
Situation befunden, die eine derartige Handlung verlangt hätte. Die Helden im
Film jedenfalls schaffen es immer oder doch meistens, sich von ihren Fesseln zu
befreien. Du musst versuchen, mit deinen Zähnen die Knoten zu lockern.«
McBratt stieß hörbar die Luft durch die Nase.
»Ich habe ein künstliches Gebiss, Joe.«
»Es wird dir nicht gleich herausfallen«, bemerkte der Angesprochene.
Joe Rings drückte sich dem Kopf des Wirts entgegen. Er spürte den heißen
Atem auf seinem Handrücken.
»Man müsste etwas sehen«, sagte der Wirt rau.
»Man kann den Knoten fühlen ...«, presste Rings zwischen den Zähnen hervor.
Er spürte, wie McBratt die Fessel mit den Zähnen bearbeitete.
»Es geht nicht«, sagte der Wirt. Fünf Minuten waren vergangen.
»Es geht alles! Man muss es nur wollen! – Dreh dich herum, McBratt! Ich
versuche mein Glück! Der Teufel mag
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