030 - Die zweite Realität
nicht lange nachzudenken. Hatte er denn eine Wahl? Sirwig war drauf und dran, ihn in eine geschlossene Anstalt einzuweisen, während Smythe seinen Erzählungen Glauben schenkte.
Und ganz gleich, was Matt persönlich von dem Professor halten mochte - es war immer noch besser mit Smythe zu kooperieren, als den Rest seiner Tage in einer Gummizelle zu verbringen. Zumal sich Smythes abenteuerliche Theorie nicht ganz von der Hand weisen ließ…
»Also gut«, erklärte er knapp. »Ich bin einverstanden, Smythe. Aber ich warne Sie - sollte dies irgendein Trick sein, um…«
»Keine Tricks«, beteuerte der Wissenschaftler schnell. »Glauben Sie mir, Matt - ich habe es immer bedauert, Sie zum Feind zu haben. Es wird Zeit, dass wir zusammen arbeiten.« Damit streckte Smythe Matt seine knochige Rechte entgegen - und der Commander ergriff sie zögernd.
»Also gut«, meinte Matt. »Und was jetzt?«
»Das Projekt, an dem ich arbeite, unterliegt der strengsten Geheimhaltung. Weder dieser blasierte Sirwig noch Ihre Vorgesetzten wissen darüber Bescheid.«
»Wunderbar.« Matt schnitt eine Grimasse. »Vom Regen in die Traufe…«
»Wir werden dafür sorgen, dass Sie den Stützpunkt unbemerkt verlassen können. Unser Wagen parkt draußen vor dem Gebäude.«
»Ich soll fliehen?«, fragte Matt ungläubig. »Das ist der Plan«, bestätigte Smythe.
»Sie können natürlich auch hier bleiben und warten, bis Sirwig Sie in eine geschlossene Anstalt einweist. Allerdings dürfte es dann noch schwieriger werden zu entkommen…«
»Okay«, knurrte Matt.
»Sieht nicht so aus, als ob ich die Wahl hätte, oder?«
»Kaum, Matthew. Folgen Sie uns…«
Ein wenig zögernd kam Matt der Aufforderung des Professors nach. Es behagte ihm nicht, dass Smythe ihn neuerdings beim Vornamen nannte, aber dies war nicht der richtige Augenblick, um über Formalitäten zu streiten. Matts Pulsschlag beschleunigte sich, als er seine Zelle verließ und Smythe hinaus auf den Korridor folgte. Die beiden Agenten übernahmen die Nachhut.
Matt war klar, dass er sich auf neues Terrain begab. Hatte bislang noch immer eine Chance bestanden, dass er in sein normales Leben zurückkehrte, war diese nun zerstört. Er war dabei, sich gegen seine Vorgesetzten zu stellen, ihre ausdrücklichen Befehle zu missachten.
***
Er hatte vor der Wahl gestanden, sein Leben in jener zerstörten Welt als Hirngespinst abzutun oder als (wenn auch haarsträubende) Realität zu betrachten - und er hatte sich für letzteres entschieden. Er hätte sich nur gewünscht, dass ihm dabei etwas wohler gewesen wäre… An zwei leblosen, am Boden liegenden Militärpolizisten vorbei gelangten sie zum Lift. Als Matt die beiden Männer sah, sandte er Smythe und seinen Begleitern entsetzte Blicke.
»Keine Sorge.« Der Professor winkte ab. »Wir mussten die beiden nur ein wenig schlafen legen - wir können keine Zeugen gebrauchen.« Damit stiegen die vier Männer in den Lift, fuhren damit nach oben. Die Flucht gestaltete sich einfacher, als Matt angenommen hatte. Vom Wachpersonal war weit und breit nichts zu sehen, die Tür zur Straße stand halb offen. Es war ein Spaziergang…
Draußen war Nacht; es herrschte matte Finsternis. Im schmutzig fahlen Licht einer Straßenlaterne parkte ein dunkler Lieferwagen. Einer der Agenten erklomm den Fahrersitz, Smythe ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder. Matt und der andere Agent kletterten in den Fond des Fahrzeugs, wo sie einander gegenüber saßen. Mit heiserem Brummen sprang der Motor des Gefährts an. Der Fahrer gab Gas und Matt spürte, wie der Van zu rollen begann, die breite Zufahrtsstraße zum Westtor des Stützpunkts hinunter. Im spärlichen, flüchtigen Licht, das durch die verspiegelten Seitenscheiben ins Innere des Wagens fiel, musterte Matt den Agenten, der ihm gegenüber saß. Das Gesicht des Hünen war ausdruckslos.
Weder hatte er bislang ein Wort gesprochen noch seine dämliche Brille abgenommen. Sie erreichten das Tor. Der Schlagbaum war unten. Der diensthabende Wachsoldat trat aus dem Häuschen, musterte den Fahrer im Licht seiner Taschenlampe. Als er nichts Verdächtiges entdecken konnte, winkte der Soldat den Lieferwagen durch und gab Anweisung, den Schlagbaum zu heben. Sekunden später hatte der Van das Gelände des Stützpunkts verlassen. Matt konnte es kaum glauben. Eines war sicher - wenn er Wachdienst gehabt hätte, hätte er einen Finstermann mit Sonnenbrille, der zu nächtlicher Stunde einen Lieferwagen vom Stützpunkt steuerte,
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