0301 - Todestrunk im Whisky-Keller
Materialfehler, so sind nur die Arad Werke dafür verantwortlich. Bei Sabotageverdacht müssten wir einen Sachverständigen zu Rate ziehen. Gerichtssachverständiger für derartige Angelegenheiten ist jedoch gerade der Mann, der felsenfest an einen Materialfehler glaubt: Robert Campbell.«
Tim stieß einen Pfiff aus. »Das habe ich nicht gewusst, Mr. High. Sehen Sie, ich habe mir in den letzten Tagen viel Mühe gegeben, Tatsachen herauszupicken, die meinen Verdacht untermauern könnten. Ich war noch einmal in Indianapolis. Mit Eisverkäufern und Fotografen habe ich gesprochen, Werksangehörige und Monteure ausgequetscht. Demnach steht folgendes fest: Tony hatte eine Viertelstunde vor dem Start seinen Wagen bestiegen. Dexter, einer der Monteure, musste ihm eine Flasche Cola bringen, die er vor jedem Start zu trinken pflegte. Dann war er zur Einlaufkurve gefahren, wo Judith Sterling auf ihn wartete. Seit der letzten Überprüfung des Wagens waren immer zwei Monteure dabei gewesen, die den Schlitten keinen Augenblick aus ihren Augen ließen.«
»Schließt diese Tatsache nicht jede Möglichkeit einer Sabotage aus?«
Tim nickte. »Theoretisch ja, Mr. High. Aber mein Gefühl sagt mit, dass hier etwas nicht stimmt. Zuschauer wollen ein kurzes Schleudern des Arad gesehen haben. Wodurch kann der Wagen ins Schleudern geraten sein? Hatte Tony die Herrschaft über den Arad verloren? Er galt als der sicherste Fahrer überhaupt. Beim letzten Reifenwechsel war er sehr blass gewesen. Hätte die Erregung über den Rennverlauf sein Gesicht nicht eher röten müssen?«
***
Jim Holt war sechzehn Jahre alt und Liftboy im Ritz. Er hatte an diesem Sonnabend Tagdienst. Gegen 16 Uhr fuhr er eine ältere Dame zum siebten Stockwerk hinauf. Gerade als er das Trinkgeld in Empfang genommen hatte, bestieg Kai Lundgren, der berühmte schwedische Pianist, den Lift. Er gab an diesem Abend wieder ein Konzert in der Carnegie Hall. In seiner Begleitung befand sich ein elegant gekleideter Gentlemen, der wie ein Spanier aussah. Der blonde Schwede nickte Jim freundlich zu.
Als Jim die Lifttür schließen wollte, erschien noch ein älterer Herr. Er hatte einen Koffer bei sich und schob sich prustend in den Lift.
»Ach, verdammt! Meine Tasche!«, murmelte er erschrocken und drückte Jim einen Dollar in die Hand. »Würdest du sie mir rasch holen? Zimmer 342. Die Tasche steht auf dem Rauchtisch.«
»Sehr gern, Sir!«, versicherte Jim und sauste los.
Es dauerte nicht lange, bis er völlig außer Atem zurückkam. Es war eine etwas
6 altmodische Tasche aus brüchigem Leder, die der alte Herr erfreut in Empfang nahm. Lundgren lehnte an der Liftwand. Sein eleganter Begleiter stand vor dem Pianisten und wandte sich an Jim.
»Nun los! Wir haben es eilig!«
Jim schloss schnell die Tür, und der Lift glitt abwärts. In der vierten Etage stieg noch eine junge Dame zu.
Im Erdgeschoss öffnete Jim die Tür.
»Bitte, schön, meine Herrschaften!«
Jim sah der jungen Dame nach, die auf den Ausgang zuschritt. Hinter ihr ging der ältere Herr, an dessen Seite Lundgrens eleganter Begleiter.
Jim warf einen Blick in den Lift. Der Pianist stand noch immer gegen die Wand gelehnt. Aber plötzlich fiel er langsam vornüber. Aus seinem Rücken ragte der Griff eines Messers.
***
Captain MacPherson von der Homicide-Squad starrte nachdenklich auf den Toten.
»Ein bekannter Pianist, sagen Sie? Aus Los Angeles?«
»Ja, Captain!«, hauchte der Geschäftsführer des Ritz und zupfte nervös an seiner Fliege. »Er ist ein schwedischer Staatsangehöriger, lebt aber in den Staaten.«
»Lebte, mein Lieber«, meinte MacPherson tadelnd. »Kann ich mal telefonieren?«
»Selbstverständlich, Captain, hier, an der Rezeption.«
MacPherson folgte ihm und wählte die Nummer des FBI.
»Hallo? Hier ist MacPherson von der Homicide-Squad, Manhattan. Verbinden sie mich bitte mit Mr. High.«
Kurze Zeit später vernahm er die Stimme des FBI-Chefs.
»Hallo, MacPherson?«
»Hallo, Mr. High. Ich bin im Ritz. Hier ist ein schwedischer Pianist erstochen worden. Er heißt Kai Lundgren und wohnt in Los Angeles. Muss ziemlich berühmt gewesen sein. Ich glaube, das ist ein Fall für das FBI.«
»Ich schicke sofort meine Leute.«
»All right, Mr. High!«
Der Captain legte auf und sah den Geschäftsführer an.
»Das FBI übernimmt den Fall!«
***
Eine Minute später läutete in unserem Office das Telefon. Ich nahm den Hörer ab und meldete mich.
Es war unser Einsatzleiter Hal Rosen.
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