0303 - Auf ihn wartet der Sarg
allerdings nichts zu tun. Das konnte er auch ohne mich abheben.«
Ich sah auf die Uhr. Es war fünf vor drei.
»Sie haben mit Ihrer Bank noch nicht telefoniert?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Und Sie wissen nicht, woher Ihr Bruder anruft?«
»Ich vermute, aus Chicago.«
»Das nützt uns nichts. Miss Moreno, alles spricht dafür, dass Ihr Bruder den Mord an Joe Gailivan begangen hat und außerdem heute Nacht bei Frank Ellery eingebrochen ist. Ob er auch ihn ermorden wollte und wenn ja, warum, das wissen wir noch nicht. Um aber festzustellen, ob es sich bei dem Anrufer um Ihren Bruder handelt, werden wir einen Trick probieren.«
»Und was soll ich jetzt tun?«
»Wenn er jetzt anruft, werden Sie ihn etwas über Ihre Familie fragen. Etwas, was niemand außer Ihnen und Ihrem Bruder wissen kann.«
***
Das weiße Telefon stand auf einem kleinen Tisch in der Nähe des Fensters.
»Was wollen Sie den Anrufer fragen?«, wollte Phil wissen.
Carmen Moreno spielte nervös mit ihrem Whisky-Glas. »Ich weiß nicht recht… Was soll ich ihn fragen? Ah, ich weiß. Wenn er wirklich mein Bruder ist, dann muss er wissen, was Vaters Lieblingsspeise war.«
»Das ist zu leicht. Er könnte es irgendwo erfahren haben. Stellen Sie noch eine Zusatzfrage!«
»Gut, ich frage ihn, wie der Hund hieß, den ich zum zehnten Geburtstag geschenkt bekam.«
»Und wie müssen beide Antworten lauten?«
»Filet Stroganow und Susy.«
Auf meiner Uhr war es jetzt genau drei.
»Er muss jeden Augenblick anrufen.«
Sie nickte.
Ich sah, dass sie aufgeregt war. Ihre Lippen zitterten. Das Gesicht war leichenblass.
Als das Telefon klingelte, fuhr sie wie unter einem Peitschehieb zusammen.
»Los, nehmen Sie den Hörer ab«, sagte ich, denn sie machte keinerlei Anstalten, ans Telefon zu gehen.
Sie gehorchte und meldete sich.
»Carmen Moreno.«
Ich war dicht neben die junge Frau getreten und brachte mein Ohr in unmittelbare Nähe des Hörers.
»Hallo, Schwesterlein«, vernahm ich, nachdem die Vermittlung der Hotelzentrale durchgeschaltet hatte. »Ich rufe pünktlich an. Hast du alles erledigt?«
Es war eine sonore, harte, metallisch klingende Stimme.
Carmen Moreno vermochte nur mühsam zu antworten.
»Nein, ich habe die Bank noch nicht verständigt. Denn ich muss erst noch wissen, ob du… ob Sie… ob Sie wirklich mein Bruder sind.«
»Natürlich, wer soll ich denn sonst sein.«
»Ein Betrüger.« Die junge Frau hatte sich jetzt gefasst. Ihre Stimme klang fester.
»Ein Betrüger? Was soll der Unsinn. Erkennst du meine Stimme nicht?«
»Doch. Aber…«
»Red nicht so lange! Ich lege jetzt auf, und du rufst die Bank an, sonst kannst du was erleben.«
»Ich denke nicht daran.«
»Ich warne dich, Schwesterlein!«
Schnell legte ich die Hand über die Sprechmuschel und raunt der Frau ins Ohr: »Stellen Sie jetzt die Fragen!«
Carmen Moreno zögerte sekundenlang, bevor sie weitersprach.
»Beantworte mir zwei Fragen, Tom. Dann gebe ich der Bank die gewünschten Anweisungen. - Was war Vaters Lieblingsspeise?«
Gespannt beugte ich mich vor. Die Frau hielt den Hörer so, dass ich die Antwort gut verstehen konnte.
»Filet Stroganow. Jetzt zufrieden?«
»Noch nicht ganz.«
»Verdammt, dann beeil dich. Ich habe keine Lust, mich länger in dieser verdammten Stadt aufzuhalten.«
»Wie hieß der Pudel, den Vater mir zu meinem zehnten Geburtstag schenkte?«
»Susy hieß das verdammte Vieh. Und wenn du jetzt nicht die Bank benachrichtigst, dann wird es dir noch leidtun.«
»Dann, Tom erzähl mir erstmal, warum du Joe Gailivans Erbe für dich beanspruchst?«
»Weil ein Toter das Geld nicht mehr braucht.«
»Und woher weißt du, dass Gailivan nicht mehr lebt?«
»Es stand in der Zeitung.«
Carmen Moreno blickte mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf.
»Das stimmt nicht, Tom, Es hat noch nicht in den Zeitungen gestanden. Dass Joe Gailivan ermordet wurde, haben lediglich mir die Beamten der Polizei mitgeteilt. Du kannst von seinem Tod also gar nichts wissen, es sei denn, du hast ihn umgebracht.«
Ich hörte, wie Tom Moreno wütend knurrte. Nach einigen Sekunden des Schweigens sagte er: »Misch dich nicht in Dinge, die dich nichts angehen.«
»Aber es geht mich viel an, ob mein Bruder ein Mörder ist oder nicht.«
»Na schön, ich sag dir’s. Aber behalte es für dich. Ich habe diese lausige Ratte umgebracht.«
»Nein!« Carmen Moreno kreischte so laut, dass ich erschrocken zurückfuhr. »Nein, Tom. Sag, dass es nicht wahr
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