0303 - Auf ihn wartet der Sarg
vorbei?«
»Ja.«
»Danke, das genügt.« Ich stand auf. »Ich muss Sie bitten, Mister Murdock, über alles, was wir gesprochen haben, strengstes Stillschweigen zu bewahren. Sie machen sich strafbar und werden mit uns Ärger bekommen, wenn Sie dagegen yerstoßen.«
***
Als Nächstes riefen wir Reporter Jacob Levy an und bestellten ihn zum Leichenschauhaus. Als er vor den sterblichen Überresten Tom Morenos stand und danach gefragt wurde, ob das jene Person sei, mit der er mich an jenem Morgen verwechselt habe, meinte er: »Von einer Ähnlichkeit zwischen dem Toten und Ihnen, Mister Cotton, kann ich nicht viel feststellen. Ich glaube nicht, dass es dieser Mann war, der mir bei Piconis Salon begegnete. Aber beschwören kann ich es nicht.«
Wir begnügten uns damit, fuhren zum Distriktgebäude zurück und suchten Mister High auf. Wir informierten den Chef über die neuen Entwicklungen.
»Für mich ist die Sache jetzt sonnenklar«, sagte ich. »Carmen Moreno steckt hinter den Morden. Meines Erachtens trug sich alles folgendermaßen zu: Als Jonathan Moreno gestorben war, vielleicht auch schon vorher, reifte in seiner Tochter Carmen der Entschluss, das gesamte Erbe einzustreichen. Zu diesem Zweck musste sie alle weiteren Erben beseitigen. Den Anfang machten sie bei Gino Piconi. Dabei kam ihr der Zufall zu Hilfe. Als sie hierherkam, um eine günstige Gelegenheit auszuspionieren, erfuhr sie von der Eifersuchtsszene zwischen Bianca und Gino Piconi. Daraufhin fädelte Carmen einen Plan ein. Sie benutzte als Helfershelfer einen Killer. Ich vermute, dass sie diesen Burschen schon lange kannte, dass er ihr Vertrauter, wahrscheinlich ihr Geliebter war. Es ist der Bursche, der jetzt im Leichenschauhaus liegt. Er tötete Sam Breen. Der Verdacht sollte auf Piconi fallen. Der Plan wurde durch Jacob Levys Auftauchen gestört. Daraufhin versuchte der Killer, mich zu beseitigen, mir den Mord an Breen in die Schuhe zu schieben und meinen Tod als Selbstmord darzustellen. Da auch dies misslang, gerieten Carmen Moreno und ihr Komplize in Sorge. Denn ein Motiv für das Ausschalten Gino Piconi hatten nicht nur Frank Ellery und Joe Gailivan, sondern auch Carmen Moreno hatte ein Motiv.«
Ich schwieg für einen Moment und sah den Chef fragend an. Mister High nickte:' »So weit ist alles klar, Jerry. Bitte fahren Sie fort.«
»Carmen und der Mörder beschlossen jetzt, Joe Gailivan und Frank Ellery auf schnellstem Weg zu beseitigen. Sie hatten das vorher schon geplant, denn sie wollten auch den Erbschaftsanteil dieser beiden einstecken. Der Killer flog nach St. Louis und brachte Gailivan fünf Minuten vor meinem Erscheinen um. Noch in der gleichen Nacht wurde bei Frank Ellery eingebrochen. Aber ihn hatte man inzwischen verhaftet wegen eines Mordes, der mit diesem Fall nichts zu tun hatte. Auch den Einbruch besorgte der Mörder, der ja von der Verhaftung nichts wissen konnte. Die Flugverbindungen von St. Louis nach Los Angeles waren gut genug, um das in einer Nacht zu schaffen. Das Pärchen hatte sein Ziel jetzt also beinahe erreicht. Piconi war in Untersuchungshaft. Eine Anklage wegen Mordes wartete auf ihn. Falls er für schuldig erklärt werden sollte, schied er laut Testamentsbestimmung als Erbe aus. Joe Gailivan war tot. Frank Ellery des Mordes überführt. Es blieb also nur Carmen Moreno. Logischerweise hätte sich jetzt der Verdacht sofort auf sie konzentriert. Aber Carmen Moreno und ihr Komplize hatten vorgesorgt. Sie wollten es so drehen, dass sämtliche Straftaten dem in Brasilien verschollenen Bruder Tom in die Schuhe geschoben werden sollten. Der erste sanfte Hinweis des sauberen Pärchens war die Waffe, mit der Joe Gailivan ermordet wurde: ein südamerikanischer Dolch. Dann wurde die Geschichte mit der Chicagoer Bank eingefädelt. Der Mörder hatte sich gefälschte Papiere auf den Namen Tom Moreno besorgt, was übrigens darauf hindeutet, dass der Plan lange vorbereitet wurde. Der Killer beherrschte Tom Morenos Unterschrift wie seine eigene. Es gelang ihm, den Bankier zu täuschen. Das Geld wurde ausbezahlt. Dass Carmen Moreno mit dem Killer schon ziemlich lange liiert war, geht meines Erachtens auch aus der Tatsache hervor, dass der Kerl die Lieblingsspeise des verstorbenen Jonathan Moreno kannte und außerdem wusste, wie Carmens Hund hieß. Sicherlich hat der Kerl noch so viele andere Dinge aus der Familie gewusst, dass Carmen Moreno ihn getrost am Telefon knifflige Fragen stellen konnte. Die ganze Sache war raffiniert
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