0304 - Der Mann, der uns zum Alptraum wurde
Susi hatte Tag-, Schwester Laura Nachtdienst. Ich beschloss, mir von Laura ein Schlafmittel geben zu lassen. Ich griff zur Klingel an der Wand und erstarrte mitten in der Bewegung.
Mit lautem Krach schlug im Parterre unter mir - ich lag in der ersten Etage - eine Tür zu. Es schallte durchs ganze Haus.
Einige Sekunden blieb’s ruhig. Dann aber schrillte eine Frauenstimme wie in höchster Not. Der Schrei brach ab. Es folgte ein dumpfes Geräusch, so, als falle ein Körper zu Boden. Dann war es wieder grabesstill.
Meine Hand drückte auf den Klingelknopf. Ich hörte, wie die Glocke im ersten Stock tönte. Ich ließ den Daumen auf dem Knopf, und das Klingeln hielt an.
Aber kein leichter Schritt war auf der Treppe zu vernehmen. Schwester Laura kam nicht. Ich langte zur Nachttischlampe. Aber bevor meine Hand sie erreicht hatte, verhielt ich.
Von unten drang ein scharrendes Geräusch zu mir herauf. Es klang, als schleife jemand einen schweren Gegenstand über die Dielen. Ich betätigte den Schalter der Leselampe.
Aber - das Licht flammte nicht auf. Ich versuchte es noch einmal. Wieder nichts. Ich griff zu der Schnur über meinem Kopfende. Wenn ich an ihr zog, schaltete sich die Deckenleuchte ein.
Auch sie gab kein Licht. Es blieb finster in meinem Zimmer. Nur die Vorhänge vor den beiden Fenstern hoben sich in einem matten, grauen Ton etwas von der Dunkelheit ab.
Ich bewegte das rechte Bein. Sofort wurden die Schmerzen heftiger. An ein Herumspazieren war nicht zu denken.
Aber warum, zum Teufel, kam Schwester Laura nicht? Was hatten die seltsamen Geräusche zu bedeuten? Wodurch war die Stromzufuhr zu meinen Lampen unterbrochen? Hatte der heftige Wind einen Baum entwurzelt? War dieser auf die Lichtleitungen gestürzt?
Ich legte den Daumen noch einmal auf den Klingelknopf. Aber die Glocke unten gab jetzt kein Geräusch mehr von sich. Offenbar war die Klingelanlage elektrisch.
Also war doch ein Baum… oder…
Ich stutzte. Wenn nun jemand die Hauptsicherung herausgedreht hatte?
Ich gestehe, mir war nicht sehr behaglich zumute. Ich war fast hilflos, ans Bett gefesselt, konnte mich notfalls nur mit den Armen verteidigen, und deren Aktionsradius erstreckte sich von meinen Schultern bis zehn Zoll über die Bettkante hinaus.
In diesem Augenblick vernahm ich die dumpfen Schritte. Sie kamen die Treppe herauf. Langsam und gleichmäßig. Schwere, dumpfe Schritte. Es klang, als seien sie unaufhaltsam. Ich spürte, wie mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Ich war schon in vielen unheimlichen Situationen gewesen, aber noch niemals so hilflos.
Mein Bett stand rechts an der Wand.
Ich konnte das linke Bein vorsichtig herausstrecken, dann winkelte ich das Knie an und tastete mit nacktem Fuß hinab. Ich fühlte den Teppich unter der Sohle, rutschte mit dem Körper etwas 6 nach und richtete mich auf der Bettkante in sitzende Stellung auf. Das dick verbundene, rechte Bein lag noch immer waagerecht ausgestreckt unter der Decke. Ich hatte es kaum bewegt, dennoch schmerzte die Wunde wahnsinnig.
Die Schritte hatten jetzt die Treppenplattform erreicht. Noch zehn oder zwölf Stufen, dann waren sie in der ersten Etage angelangt.
Ich biss die Zähne zusammen, packte mit beiden Händen den rechten Oberschenkel und hob das Bein aus dem Bett. Der Schmerz jagte mir wie ein glühender Draht durch den Knochen zur Hüfte hinauf.
Als ich mich auf den linken Fuß stellte und den rechten weit vorstreckte, fühlte ich, wie die Wunde im Unterschenkel aufbrach. Es würde nicht lange dauern, bis mein Blut den-Verband durchtränkt hatte.
Jetzt waren die Schritte verstummt.
So leise wie möglich - mit den Händen rudernd, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren - hüpfte ich durch das Zimmer zum Schrank. In ihm hingen meine Kleider. In dem Hutfach lag meine Pistole, die Smith & Wesson 38er Special.
Jetzt waren die Schritte wieder zu hören. In diesem Augenblick erreichten sie die oberste Stufe.
Im Dunkeln stieß ich gegen den Schrank. Es verursachte ein leises Bumsen. Ich tastete zum Schloss, verlor um ein Haar das Gleichgewicht, konnte mich jedoch im letzten Augenblick fangen, fand den Griff und zog vorsichtig die Schranktür auf.
Über dem kurzen Flur näherten sich die Schritte meinem Zimmer.
Die Schranktür knarrte laut. Das Knarren ging in ein Quietschen über.
Ich verfluchte die Scharniere. Oder war das Holz gequollen und klemmte? Mit einem Ruck öffnete ich die Tür völlig, hielt mich mit der Linken an ihr fest und streckte
Weitere Kostenlose Bücher