0314 - Die schwarze Macht
mißbrauchen, und doch war er kosmischen Gesetzen unterworfen, die ihn stark einschränkten. Er konnte vieles, er wußte um nahezu alle Dinge, doch sein Alter und die Schwere seiner Aufgabe hatten ihn abgeklärt.
Merlin, der Magier, wurde er genannt, und sein dunkler Bruder saß ihm gegenüber am flachen Rundtisch, Sid Amos nannte sich der Mann, der aus der Hölle geflohen war, als Leonardo deMontagne den Thron des Fürsten der Finsternis an sich riß. Sid Amos hatte das Dämonische abgelegt und wurde immer menschlicher. Aber selbst Merlin vermochte nicht hundertprozentig zu sagen, wieviel Mensch und wiewenig Teufel Sid Amos nun war.
Sid Amos hatte die Seiten gewechselt.
Aus reinem Sicherheitsbedürfnis, hatte er angegeben, als er bei seinem Bruder Merlin um Asyl bat. Und Merlin hatte es ihm gern gewährt.
Gryf und Teri Rheken, die sonst meistens in Merlins unsichtbarer Burg Caermardhin wohnten, ließen sich seither weitaus seltener blicken. Nur zu gut hatten sie die Kämpfe gegen Asmodis noch in Erinnerung, und sie trauten auch Sid Amos nicht völlig über den Weg.
Teri befürchtete gar, daß Sid Amos Einfluß auf Merlin nehmen könnte. Merlins Worte klangen ihr noch im Ohr, als Zamorra und Asmodis in den Felsen von Ash’Naduur gegeneinander kämpften und Merlin dem Fürsten der Finsternis das Leben rettete, indem er den Kampf unterbrach, als Asmodis unterlag. Und hatte nicht auch Asmodis einmal gesagt: »Bruder, was hätten wir zusammen erreichen können, wenn du nicht damals die Seiten gewechselt hättest…«
Weder Sid Amos noch Merlin störten sich daran, was Teri Rheken und Gryf ap Llandrysgryf von ihnen dachten und das auch aussprachen. Sie beide allein wußten, was sie voneinander zu halten hatten.
»Das erste Tor«, sagte Sid Amos, »war schon schlimm genug. Wir müssen verhindern, daß es ein zweites und drittes gibt. Sie nutzen die Ruhe nach dem Sturm, um ihren eigenen Sturm vorzubereiten.«
»Die MÄCHTIGEN«, murmelte Merlin. »Wir dürfen sie niemals unterschätzen. Du hättest schon viel früher mit uns zusammenarbeiten sollen. Immerhin ging es auch um den Bestand deiner Hölle. Wenn die MÄCHTIGEN die Macht ergreifen, löschen sie Himmel und Hölle gleichermaßen aus.«
»Ich hatte meine Gründe«, wehrte Sid Amos ab. »Du weißt es, und du hättest an meiner Stelle nicht anders gehandelt. Sie haben sich auch immer zurückgehalten. Aber vielleicht glauben sie jetzt, daß unser aller Kräfte, gleich auf welcher Seite, nach der ersten großen Auseinandersetzung mit der DYNASTIE DER EWIGEN erschöpft sind.« [2]
Er holte tief Luft. »Du mußt Zamorra einsetzen, Bruder«, forderte er. »Er dürfte der einzige sein, der genug Erfahrungen im Kampf gegen die MÄCHTIGEN gesammelt hat.«
»Zamorra ist unerreichbar«, sagte Merlin düster. »Einst konnte ich ihn über sein Amulett ständig erreichen. Inzwischen geht es nur noch, wenn er sich im Château befindet. Aber gerade da befindet er sich nicht. Und wir haben keine Zeit, ihn erst suchen zu lassen.«
»Das heißt…«, murmelte Sid Amos.
Merlin sah ihn an und nickte nur. »Ich bitte dich darum«, sagte er.
Sid Amos verzog das Gesicht.
»Gegen die MÄCHTIGEN«, sagte er. »Ungern, sehr ungern, aber… lieber gegen die MÄCHTIGEN als gegen Amun-Re.«
Er erhob sich. »Ich bin bereit. Öffne du mir das Tor, daß ich die andere Sphäre erreiche.«
***
»Meistens ist man ja dumm«, sagte Professor Zamorra trocken.
Stefan Möbius sah ihn an. »Wie meinst du das?«
Der Parapsychologe und Abenteurer schmunzelte. »London«, sagte er. »Weißt du – in meinem Schreibtisch im Château Montagne liegt ein Sonderausweis des britischen Innenministeriums, das mir polizeiliche Sondervollmachten einräumt. Ich habe es vor langer Zeit einmal bekommen, als ich einem hohen Tier aus der Politik half, seine Tochter aus den Klauen eines Ungeheuers zu holen. Damals brauchte ich den Ausweis. Er ist immer noch gültig, aber schon recht verstaubt.« [3]
»Und inwiefern ist man meistens ja dumm?« fragte Möbius.
»Ich könnte den Ausweis jetzt gut gebrauchen, um in London mal bei offiziellen Stellen sowohl Nachforschungen anzustellen als auch Dampf zu machen. Der Ausweis würde mir Tür und Tor öffnen. Und jetzt liegt er im Château.«
»Gryf kann ihn holen, wenn er kommt«, schlug Nicole vor.
»Auch ‘ne Lösung.« Zamorra lehnte sich zurück. Sie saßen im Büro von Stefan Möbius in einem der oberen Stockwerke des Frankfurter
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